Mietzinsbefreiung in Zeiten von COVID-19?

Für den Fall, dass ein Bestandobjekt wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, legt § 1104 ABGB fest, dass kein Mietzins zu entrichten ist.


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Ist COVID-19 als Seuche im Sinne des § 1104 ABGB einzustufen?

In einer unlängst ergangenen Entscheidung (3 Ob 78/21y) stellte der OGH nun erstmals fest, dass die COVID-19-Pandemie als Seuche im Sinne des § 1104 ABGB zu qualifizieren ist und folglich einen Mieter zur Nichtzahlung des Mietzinses berechtigt, wenn das Bestandobjekt durch die Seuche selbst oder daraus resultierender behördlicher Maßnahmen (zB Betretungsverbot) gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann.

Für die Frage der Unbenutzbarkeit kommt es stets auf die Erfüllung des vertraglichen Geschäftszwecks bzw. den (vertraglich) bedungenen Gebrauch an.

Achtung: Ein Teil des Mietzinses ist jedenfalls dann zu zahlen, wenn der Geschäftsraummieter das Objekt beschränkt nutzt.

Von einer beschränkten Nutzung ist bspw. dann auszugehen, wenn ein Restaurantbetreiber Take Away anbietet oder seine Waren mit Hilfe eines Lieferdienstes vertreibt, einzelne Räumlichkeiten als Büro genutzt werden oder das Geschäftslokal zwischenzeitlich als „Lager“ dient.

Was gilt als "Mietzins" im Sinne des § 1104 ABGB?

Die zuweilen strittige Frage, ob die Mietzinsbefreiung nach § 1104 ABGB auch Betriebskosten umfasst, ließ der OGH im gegenständlichen Fall unbeantwortet.

Die Definition des Mietzinses in § 15 Abs 1 MRG, der die Betriebskosten einschließt, ist für die Auslegung der wesentlich älteren Bestimmung des § 1104 ABGB irrelevant.

Fest steht, dass im Anwendungsbereich des § 1096 ABGB (Beeinträchtigung des bedungenen Gebrauchs) auch die Pflicht des Mieters zur Zahlung der (verbrauchsunabhängigen) Betriebskosten gemindert wird. Da der Gesetzgeber aber bewusst zwischen dem Verantwortungsbereich des Vermieters (§ 1096 ABGB) und den Fällen des außerordentlichen Zufalls (§ 1104 ABGB) unterscheidet, ist uE davon auszugehen, dass im Anwendungsbereich des §§ 1104 ABGB der Mieter die Betriebskosten zu tragen hat, solange der Mietvertrag aufrecht ist.

Vertraglicher Ausschluss des § 1104 ABGB?

Da es sich bei der Norm des § 1104 ABGB um dispositives Recht handelt, kann diese vertraglich abbedungen werden, indem der Mieter das Risiko außerordentlicher Zufälle übernimmt und somit auf den Zinsentfall verzichtet.

Achtung: Ob ein solcher Verzicht rechtswirksam ist, hängt vom Einzelfall ab. Der gänzliche Ausschluss von § 1104 ABGB „ohne irgendein Entgegenkommen der Vermieterseite“ (zB der Vereinbarung eines niedrigeren Zinses) kann jedoch sittenwidrig sein. Wir empfehlen daher derartige Vereinbarungen anwaltlich prüfen zu lassen.

Mietzinsbefreiung trotz staatlicher Fördermittel?

Für die Frage, ob und inwieweit man als Mieter staatliche Fördermittel an den Vermieter „weiterreichen“ muss, wird nach derzeitiger Rechtslage zwischen Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz differenziert.

Fixkostenzuschuss

Der Fixkostenzuschuss steht speziell für jene Mietzinszahlungen zu, die der Mieter nicht herabsetzen konnte. Der Fixkostenzuschuss ist also streng genommen „zweckgebunden“. Der Mieter ist daher dem Grunde nach verpflichtet, mit dem Vermieter nachweislich über eine Mietzinsminderung zu verhandeln. Andernfalls läuft er Gefahr, dass er einen zu viel bezahlten Fixkostenzuschuss zurückzahlen muss.   

Umsatzersatz

Beim Umsatzersatz ist es wiederum so, dass dieser unabhängig von der Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten ausbezahlt wird. Diese „Entkoppelung“ von den tatsächlichen Kosten kann dazu führen, dass der Vermieter keine oder nur eine geringere Miete bekommt, obwohl der Mieter hohe staatliche Förderungen erhält. Fest steht, dass der Mieter durch kein Gesetz zur „Weiterreichung“ des Umsatzersatzes an den Vermieter verpflichtet wird. Auch das LG Wien hat bereits bestätigt, dass der Umsatzersatz mangels entsprechender Widmung durch den Förderer nicht speziell an die Stelle des Mietzinses treten kann. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Leistung des Vermieters (zeitweilig) wegfällt, wenn ein Geschäftslokal wegen Corona nicht benützt werden kann.

Unsere Experten der SAXINGER COVID-19-Unit stehen Ihnen in diesem Zusammenhang sowie zur Beantwortung sonstiger Rechtsfragen im Zusammenhang mit COVID-19 gerne zur Verfügung.

Stand: 14.12.2021