Dispute Resolution in Zeiten der Corona-Krise

Die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 wirken sich auch auf Zivil- und Schiedsverfahren aus. Während für Zivilverfahren großteils offizielle Vorgaben durch Gesetze und Verordnungen sowie Empfehlungen der Bundesregierung bestehen, liegt es bei Schiedsverfahren an den Schiedsrichtern, Schiedsinstitutionen und Parteien, gemeinsam eine für das jeweilige Schiedsverfahren passende Lösung zu finden.

I. Zivilverfahren

Die COVID-19-Krise hatte im Zivilverfahren mit wenigen Ausnahmen die Abberaumung aller Tagsatzungen für Zeitraum ab Mitte März bis zumindest April, überwiegend aber Mai zur Folge. Verfahren werden durch diese Abberaumungen erheblich verzögert – beispielsweise wurde in einem von uns betreuten Fall die vorbereitende Tagsatzung um 7 Monate verschoben.

Dem durch diese Verzögerungen verursachte Erledigungsrückstand bei den Gerichten soll nun durch die Einführung von „virtuellen Verhandlungen“ sowie der Einhaltung strenger Sicherheitsvorkehrungen entgegengewirkt werden. Der Gerichtsbetrieb soll langsam wieder aufgenommen werden und mündliche Verhandlungen grundsätzlich wieder durchgeführt werden. Dies kann entweder unter Einhaltung strenger Sicherheitsvorkehrungen (z.B. große Verhandlungssäle oder Beschränkung der Teilnehmeranzahl) oder ohne persönliche Anwesenheit der Parteien oder ihrer Vertreter erfolgen. Solche virtuellen Verhandlungen sollen nach dem 8. COVID-19-Gesetz unter Verwendung „geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung“ verrichtet werden. Nach welchen Kriterien Kommunikationsmittel von der Justiz als „geeignet“ angesehen werden sollen, wird im Gesetz nicht definiert. Eine entsprechende parlamentarische Anfrage von NEOS soll im Juni 2020 beantwortet werden.

Unter welchen Voraussetzungen sind virtuelle Verhandlungen bei Zivilverfahren zulässig?

Die Zulässigkeit der Durchführung einer virtuellen Verhandlung ist grundsätzlich (ausgenommen bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 277 ZPO) an das Einverständnis der Parteien geknüpft. Es besteht jedoch eine Zustimmungsfiktion soweit sich die Parteien nicht innerhalb einer vom Gericht festgesetzten angemessenen Frist gegen die Durchführung der virtuellen Verhandlungen aussprechen. Bei einem entsprechenden Widerspruch soll die Tagsatzung nach der Vorstellung des Gesetzgebers – unter strengen Sicherheitsvorkehrungen – im Gerichtssaal durchgeführt werden, wobei die Justizverwaltung dafür verantwortlich ist, geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, sodass die von der Bundesregierung vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen eingehalten werden können.

Die dargestellten Regelungen gelten von 07.05.2020 bis 31.12.2020. Die Praxis wird zeigen, inwiefern die Durchführung von virtuellen Verhandlungen auch für die Zukunft praktikabel sein wird.

II. Schiedsverfahren

Sofern vom Schiedsgericht nicht anders verordnet, laufen Schiedsverfahren auch in Zeiten von COVID-19 weiter. Abgesehen von der Durchführung von Beweisaufnahmeverhandlungen kommen Schiedsverfahren ohnehin oft ohne physische Termine aus. Verfahrensmanagementkonferenzen und andere Termine zu prozessualen Themen sowie Schriftsatzfristen sollen nach jeweils anwendbaren Verfahrensregeln durch die aktuellen Maßnahmen grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden. Aufgrund der in verschiedenen Staaten geltenden unterschiedlichen Regelungen zur Eindämmung von COVID-19 ist jedoch die Durchführung von Beweisverhandlungen, an der oft Personen aus verschiedenen Staaten teilnehmen, in Zeiten von COVID-19 oft herausfordernd.

Welche Möglichkeiten haben Schiedsgerichte und Parteien, wenn Schiedsverhandlungen aufgrund von COVID-19 nicht stattfinden können?

Können Schiedsverhandlungen aufgrund von COVID-19 nicht wie geplant stattfinden, bestehen für Schiedsgerichte und Parteien folgende Möglichkeiten:

  • Verschiebung der mündlichen Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt
  • Rein schriftliches Verfahren;
  • Durchführung einer virtuellen Schiedsverhandlung.

Virtuelle Schiedsverhandlung

Welche Faktoren sollten bei der Entscheidung für eine virtuelle Schiedsverhandlung berücksichtigt werden?

Die Entscheidung, ob eine virtuelle Schiedsverhandlung für ein bestimmtes Schiedsverfahren eine geeignete Option darstellt, hängt neben den spezifischen Wünschen der Parteien insbesondere von folgenden Faktoren ab:

  • Anzahl der Verhandlungsteilnehmer
  • Notwendigkeit von Übersetzung in mehrere Sprachen
  • Dauer und Komplexität der Verhandlung
  • örtlichen Gegebenheiten der einzelnen Verfahrensbeteiligten (Zeitzone, Verfügbarkeit technischer Ausstattung etc.)

Welche Aspekte sollten bei der Wahl der technischen Einrichtung für virtuelle Schiedsverhandlungen bedacht werden?

Bei der Wahl der technischen Einrichtung für die virtuelle Schiedsverhandlung sind folgende Aspekte zu bedenken:

  • Besteht die Möglichkeit, Dokumente zu teilen?
  • Können Teilnehmer in einzelne Untergruppen unterteilt werden?
  • Wie steht es um Datenschutz und Sicherheit?

Können virtuelle Schiedsverhandlungen auch abgehalten werden, wenn zwischen den Parteien darüber kein Einvernehmen besteht?

Anders als in Zivilverfahren nach der nun in Österreich geltenden Rechtslage kann im Schiedsverfahren grundsätzlich auch dann eine virtuelle Schiedsverhandlung durchgeführt werden, wenn zwischen den Parteien darüber kein Einvernehmen besteht. Dabei ist jedoch besonderes Augenmerk auf die Regelungen nach der jeweiligen Schiedsordnung sowie die Aufhebungsgründe nach der Jurisdiktion des jeweiligen Schiedsortes zu legen. Sofern das rechtliche Gehör beider Parteien auch in der virtuellen Schiedsverhandlung gewährleistet wird, steht die Durchführung einer virtuellen Schiedsverhandlung der Vollstreckung des auf Basis der virtuellen Schiedsverhandlung erlassenen Schiedsspruchs nach dem New Yorker Übereinkommen nicht entgegen.

III. Ausblick

Welche Chancen und Risiken bieten virtuelle Verhandlungen über die Corona-Krise hinaus?

Ein Ende der Auswirkungen von COVID-19 auf Zivil- und Schiedsverfahren ist derzeit nicht in Sicht. Trotz Risiken wie mangelndem Datenschutz und Verzögerungen aufgrund von technischen Problemen besteht die Hoffnung, dass die Durchführung virtueller Verhandlungen auch nach Beendigung der COVID-19-Krise – insbesondere in Schiedsverfahren – eine kosteneffiziente und auch umweltfreundliche Alternative zu Verhandlungen unter physischer Beteiligung sämtlicher Verfahrensbeteiligten sein kann.

Unsere Experten der SAXINGER COVID-19-Unit stehen Ihnen in diesem Zusammenhang gerne beratend zur Seite.

Stand: 07.05.2020

Ansprechpartner
Mag. Ria Kucera
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