Gesellschaftsrecht: Gewinnausschüttungen, Generalversammlungen und Aufsichtsratssitzungen in Zeiten von Corona



Ausschüttungssperre bei der GmbH im Fall von Vermögensschmälerungen

Viele Unternehmen haben aufgrund der COVID-19-Krise bereits jetzt mit erheblichen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen zu kämpfen. In manchen Branchen wird auch bei ansonsten erfolgreich wirtschaftenden Unternehmen der Verlusteintritt oft unvermeidbar sein.

Da bei vielen Gesellschaften das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr ident ist, fallen die Auf- und Feststellung des Jahresabschlusses heuer in zeitlicher Hinsicht oftmals mit „COVID-19-Verlusten“ zusammen. Aus diesem Grund ist auf die für Gesellschaften mit beschränkter Haftung geltende – und aufgrund der derzeitigen Situation brandaktuelle – Ausschüttungssperre des § 82 Abs 5 GmbHG hinzuweisen:

Nach dieser Bestimmung ist der Bilanzgewinn in dem Ausmaß von der Verteilung an die Gesellschafter ausgeschlossen, in dem sich die Vermögenslage der Gesellschaft in der Zeit zwischen dem Bilanzstichtag und der Feststellung des Jahresabschlusses erheblich und nicht bloß vorübergehend verschlechtert hat. Der von der Verteilung ausgeschlossene Betrag ist auf neue Rechnung vorzutragen.

Dies bedeutet im Konkreten Folgendes: Kommt es vor Feststellung des Jahresabschlusses zu einer (erheblichen und nicht bloß vorübergehenden) Schmälerung des Gesellschaftsvermögens, darf ein vorhandener Bilanzgewinn nicht (bzw nicht zur Gänze) ausgeschüttet werden.

Haftungsrisiko von Organen und Rückzahlungsverpflichtung bei Verstoß gegen die Ausschüttungssperre

Tritt vor Feststellung des Jahresabschlusses eine Schmälerung des Gesellschaftsvermögens ein, ist zunächst jedenfalls zu prüfen, ob die Vermögensschmälerung erheblicher und nicht bloß vorübergehender Natur ist.

Ist dies zu bejahen, hat die Geschäftsführung (und ein allenfalls bestehender Aufsichtsrat) die Gesellschafter darauf rechtzeitig vor Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses hinzuweisen. Die Gesellschafter dürfen in der Folge eine Ausschüttung nur in einem nicht gegen die Ausschüttungssperre verstoßenden Ausmaß beschließen. Beschließen die Gesellschafter eine Ausschüttung in einem gegen die Ausschüttungssperre verstoßenden Ausmaß, haben die Geschäftsführer – trotz anderslautendem Gesellschafterbeschluss – die Ausschüttung zu verweigern.

Geschäftsführer, Aufsichtsrat und Gesellschafter sind gut beraten, das Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Vermögens-schmälerung sorgfältig zu prüfen. Denn wird die Ausschüttungssperre verletzt, kann dies Schadenersatz-, Haftungs- und Rückerstattungspflichten für die Organe nach sich ziehen.

Schranken bestehen auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Ausschüttungssperre

Treten nach dem Bilanzstichtag Verluste ein, sind Ausschüttungen aus einer GmbH auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Ausschüttungssperre (dies ist nach herrschender Ansicht zB dann der Fall, wenn die Verluste erst nach der Feststellung des Jahresabschlusses, jedoch vor der Beschlussfassung über die Verteilung des Bilanzgewinnes eintreten) nicht ohne Schranken zulässig. Dies insbesondere dann, wenn die Ausschüttung die Existenz der Gesellschaft gefährden würde. In diesem Fall verlangt die Treuepflicht, keine (existenzgefährdenden) Ausschüttungen vorzunehmen.

Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlichen Ausschüttungssperre haben die Organe einer GmbH in Verlustsituationen somit die Zulässigkeit von Ausschüttungen sorgfältig zu prüfen.

Möglichkeiten der virtuellen Abhaltung von Generalversammlungen und Aufsichtsratssitzung

Um für die Dauer der Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus die Abhaltung von Generalversammlungen zu erleichtern, sieht das „Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz“ („COVID-19-GesG“) die Möglichkeit vor, Generalversammlungen während dieser Dauer auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchzuführen. Angesprochen ist damit insbesondere die Möglichkeit, Generalversammlungen in Form von Videokonferenzen abzuhalten. Detailregelungen wird eine noch zu erlassende Verordnung enthalten.

Ungeachtet dessen besteht weiterhin die Möglichkeit, Gesellschafterbeschlüsse schriftlich zu fassen (Umlaufbeschluss).

Die im COVID-19-GesG geschaffene Möglichkeit gilt im Übrigen auch für Aufsichtsratssitzungen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass bereits nach bisheriger Rechtslage nur qualifizierte Videokonferenzen eine Sitzung im Sinne des § 30i GmbHG darstellen und daher nur solche auf die vierteljährlich abzuhaltenden Sitzungen angerechnet werden können. Eine qualifizierte Videokonferenz liegt dabei dann vor, wenn alle Teilnehmer einander sehen und hören können, die Qualität der Verbindung es ermöglicht, alle Einzelheiten der Mimik des Gegenübers wahrzunehmen und Unbefugte nicht auf die Konferenz zugreifen können.

Aufgrund der speziellen Expertise von SAXINGER im LegalTech-Bereich bieten wir unseren Mandanten nunmehr maßgeschneiderte Pakete für die Durchführung von virtuellen Gesellschafterversammlungen bzw. Aufsichtsratssitzungen an.

Fristenhemmung bei Einreichung des Jahresabschlusses

Das „2. COVID-19-Gesetz“ sieht vor, dass der Zeitraum vom 22.03.2020 bis zum 30.04.2020 in die Zeit, in der bei Gericht eine Erklärung abzugeben ist, nicht eingerechnet wird. Dies wirkt sich auch auf die neunmonatige Frist zur Einreichung des Jahresabschlusses aus: Ist ein Jahresabschluss nach dem 21.03.2020 einzureichen, verlängert sich die Frist zur Einreichung um 40 Tage. Ist daher der letzte Bilanzstichtag der 31.12.2019 gewesen, ist der Jahresabschluss (statt am 30.09.2020) nunmehr spätestens am 09.11.2020 einzureichen.

Unsere Experten der SAXINGER COVID-19-Unit stehen Ihnen in diesem Zusammenhang gerne beratend zur Seite.

 

Stand: 03.04.2020