Der (digitale) Impfpass – zurück zur (neuen) Normalität?

Israel ist nach dem mittlerweile dritten Corona-Lockdown aufgrund einer weltweit am meisten fortgeschrittenen Umsetzung der Impfstrategie in Verbindung mit einem kürzlich eingeführten elektronischen Impfpass – dem „Green Pass“ – weitgehend zur Normalität zurückgekehrt. Viele öffentliche Einrichtungen und Geschäftslokale sind damit nur für diejenigen geöffnet, die sich gegen das Coronavirus haben impfen lassen oder nachweislich an Covid-19 erkrankt waren. Es mehren sich nun auch in anderen Ländern die Forderungen, den Lockdown für Immunisierte zu lockern.

Wird es bald den EU-Impfpass geben?

Der digitale europäische Impfausweis ("Digitaler Grüner Nachweis") soll nach dem Willen der EU-Kommission bis 1. Juni realisiert werden.

Dieser soll neben dem Impfstatus auch die Ergebnisse von PCR- und Schnelltests sowie abgeheilte Corona-Infektionen dokumentieren.

Die Forderungen nach einem EU-Impfzertifikat wurden von einigen EU-Mitgliedsländern aber bisher als übereilt kritisiert. Dabei wurde insbesondere darauf verwiesen, dass derzeit nur geringe Teile der Bevölkerung geimpft sind bzw. überhaupt die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen.

Im Mittelpunkt der Debatte steht daher die Schaffung einer länderübergreifenden Vorgehensweise und die Klärung der Frage, was der Status als „Geimpfte(r)“ für die Reisefreiheit innerhalb der EU bedeutet. Vor allem stark vom Tourismus abhängige EU-Mitgliedsländer sprechen sich seit längerem dafür aus, nachweislich immunisierten Personen möglichst rasch das Reisen wieder zu ermöglichen. Dabei gehe es nicht um die Schaffung von Privilegien für bestimmte Personen, sondern den Wegfall von Beschränkungen von Grundrechten für jene, die schon Antikörper gebildet haben, entweder aufgrund Impfung oder ausgeheilter Erkrankung.

Sind Sonderrechte für immunisierte Personen zulässig?

Die Beantwortung dieser Grundsatzfrage liegt im Kern in der Beurteilung der Vorfrage, ob und inwieweit Beschränkungen von Grundrechten zulässig sind für einen Personenkreis, der nachweislich bereits immunisiert ist. Denn damit geht es nicht um die Einräumung von Sonderrechten für diesen Personenkreis, sondern vielmehr um die Frage der Einhaltung des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit: Dürfen Beschränkungen aufrecht erhalten werden betreffend jenem Personenkreis, der aufgrund Impfung oder Vorerkrankung nicht mehr des Schutzes bedarf, der sich aus den allgemein auferlegten Beschränkungen ergibt? In staatlichen Einrichtungen werden unterschiedliche Regelungen bislang weitgehend abgelehnt, weil ja derzeit noch nicht jeder die Gelegenheit hatte, sich impfen zu lassen. Bei privaten Anbietern, bei denen Vertragsfreiheit für die Teilnahme besteht, wie beispielsweise Konzertveranstalter, Fluggesellschaften, Restaurantbesitzer oder Hotelbetreiber wird wohl rechtlich nichts einzuwenden sein, wenn Zugangs- oder Teilnahmebeschränkungen auferlegt werden, die nur immunisierten Personen Zugang gewähren. Entsprechende Ankündigungen gibt es beispielsweise bereits von einzelnen Airlines und Reiseveranstaltern.

Eine offene medizinische Frage ist, ob und inwieweit auch immunisierte Personen (noch) Überträger von Corona-Viren sein können. Solange aber eine Immunisierung durch Impfung oder nach abgeheilter Vorerkrankung zumindest einen sog. schweren Verlauf verhindert, der eine Hospitalisierung erfordert, wird wohl im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung die medizinische Frage entscheidend sein, ob dieser Personenkreis nach wie vor Verursacher von Ansteckungen sein kann, die das zu schützende Funktionieren des öffentlichen Gesundheitsversorgungssystems gefährden. Wenn das der Fall sein sollte, dann wird wohl das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes weiterhin erforderlich sein. Darüberhinausgehende Beschränkungen werden aber wohl kaum noch verhältnismäßig sein.

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Dr. Franz Mittendorfer
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