UPDATE Insolvenzrecht - Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis 31.01.2021

Am 21.03.2020 wurde das 2. COVID-19-Gesetzespaket in Österreich kundgemacht, mit dem 39 Gesetze geändert sowie 5 neue Gesetze geschaffen wurden. Die Bestimmungen traten größtenteils am 22.03.2020 in Kraft. In der Folge wurden drei weitere umfangreiche Gesetzespakete, das 3. COVID-19-Gesetz, das 4. COVID-19-Gesetz und das 5. COVID-19-Gesetz am 04.04.2020 kundgemacht und traten mit 05.04.2020 in Kraft und wirken sich auch auf den Bereich des Insolvenzrechts aus.


Häufige Fragen zum Insolvenzrecht

Insolvenzantragspflicht in der COVID-19-Krise

Verpflichtende Überschuldungsprüfung in der COVID-19-Krise?

Weitere Insolvenzrecht-Themen

 


Insolvenzantragspflicht in der COVID-19-Krise

Welche Insolvenzeröffnungsgründe gibt es in Österreich?

Die Zahlungsunfähigkeit (§ 66 IO) gilt als allgemeiner Insolvenzeröffnungsgrund für alle Arten von Schuldnern unabhängig davon, ob sie natürliche oder juristische Personen sind. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist („verdeckte Kapitalgesellschaften“, bspw. GmbH & Co KG) reicht als besonderer Insolvenzeröffnungsgrund bereits die insolvenzrechtliche Überschuldung (§ 67 IO) aus. Da ein bedeutender Anteil der Unternehmen in Österreich in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften geführt wird, kommt dem Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung auch eine erhebliche praktische Bedeutung zu.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu zahlen und sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald beschaffen kann. Abzugrenzen davon ist die Zahlungsstockung, dh ein bloß vorübergehender Mangel an Zahlungsmitteln, welche noch keinen Insolvenzeröffnungsgrund verwirklicht. Sie wird bei einer Deckungslücke von höchstens 5% aller fälligen Verbindlichkeiten vermutet.

Die insolvenzrechtliche Überschuldung ist sowohl von einer rein buchmäßigen, sich aus der unternehmensrechtlichen Bilanz ergebenden Überschuldung (negatives Eigenkapital) als auch von einer rechnerischen Überschuldung, die an Hand eines Liquidationsstatus ermittelt wird, streng zu unterscheiden. Bei unternehmenstragenden Schuldnern begründet eine rechnerische Überschuldung nur in Verbindung mit einer negativen Fortbestehensprognose auch eine insolvenzrechtliche Überschuldung (siehe Punkt auch III).

Führen durch die COVID-19-Krise verursachte Umsatz- oder Ergebniseinbrüche oder Ausfälle von Kundenforderungen dazu, dass nicht mehr alle fälligen Verbindlichkeiten bezahlt werden können, so ist bei allen Arten von Schuldnern umgehend zu prüfen, ob eine bloße Zahlungsstockung oder bereits eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Bei Schuldnern, für die auch der besondere Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung gilt, ist überdies – so ferne nicht eine rechnerische Überschuldung ausgeschlossen werden kann - zu prüfen, ob diese Umstände der Aufstellung einer positiven Fortbestehensprognose entgegenstehen. Dabei ist zu beachten, dass das momentane Nichtvorliegen einer Zahlungsunfähigkeit nicht automatisch auch zu einer positiven Fortbestehensprognose führt. Die Zahlungsunfähigkeit wird rein stichtagbezogen ermittelt und stellt damit nur eine Momentaufnahme dar. Für eine positive Fortbestehensprognose ist es aber erforderlich, dass die Zahlungsfähigkeit für einen längeren Betrachtungszeitraum bejaht werden kann.

Wann ist grundsätzlich ein Antrag auf Insolvenzeröffnung zu stellen?

Liegt ein Insolvenzeröffnungsgrund vor (materielle Insolvenz) so trifft den Schuldner die Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der materiellen Insolvenz die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen (§ 69 Abs 1 IO).

Die Verpflichtung zur Antragstellung beginnt jedenfalls mit dem Zeitpunkt der objektiven Erkennbarkeit des Vorliegens eines Insolvenzeröffnungsgrundes. Dieser ist dann gegeben, wenn Insolvenzindizien vorliegen, die bei einem sorgfältigen Schuldner (Maßstabfigur) auf einen Insolvenzgrund schließen lassen, jedenfalls aber bei manifester Insolvenz im Sinne von eindeutigen Insolvenzindizien.

Die 60-Tages-Frist soll dem Schuldner einen letzten ernsthaften Sanierungsversuch ermöglichen.

Welche Haftungsrisiken können sich im Zusammenhang mit der Verletzung der Antragspflicht ergeben?

§ 69 IO stellt ein Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger dar. Eine Verletzung der rechtzeitigen Insolvenzantragspflicht (Insolvenzverschleppung) kann daher bei juristischen Personen als Schuldner Schadenersatzansprüche der Gläubiger gegen die jeweiligen verantwortlichen Organe begründen (Außenhaftung). Zusätzlich führt eine Insolvenzverschleppung durch die verantwortlichen Organe regelmäßig auch zu einer Verletzung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften und damit zu einer Schadenersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft selbst (Innenhaftung).

Was gilt in Zeiten der COVID-19-Krise?

Der dem Schuldner für die Antragstellung längstens zur Verfügung stehende Zeitraum von 60 Tagen wird im Falle von Naturkatastrophen und damit vergleichbaren Situationen auf 120 Tage verlängert (§ 69 Abs 2a IO). Durch das 2. COVID-19-Gesetz wurde § 69 Abs 2a IO dahingehend abgeändert, dass die Verlängerung der Frist auf 120 Tage nunmehr auch für den Fall einer Pandemie oder Epidemie gilt.

Hintergrund der Verlängerung der Antragsfrist ist, dass viele Unternehmer zwar unmittelbar durch die derzeitige Krisensituation in massive Liquiditätsschwierigkeiten manövriert werden, aber aufgrund ua zu erwartender Entschädigungszahlungen derzeit damit rechnen können, ihren Zahlungspflichten in Kürze wieder nachkommen zu können.

Die Bundesregierung hat Maßnahmen zur Liquiditätsbeschaffung / Sicherung der Zahlungsfähigkeit von Unternehmen geschaffen und ua einen Härtefallfond eingerichtet, Erleichterungen für Kurzarbeit normiert, Zahlungserleichterungen bzw Stundungen hinsichtlich Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen eingeräumt sowie Haftungen für Überbrückungskredite ermöglicht.

Eine Auszahlung aus dem „Härtefond“ wurde zwar „rasch und unbürokratisch“ zugesichert, doch wird unter Umständen die reguläre 60-Tages-Frist nicht ausreichen, um die notwendige Liquidität wiederherzustellen. Daher wurde die Frist für Pandemien und Epidemien explizit auf 120 Tage verlängert.

Für wen gilt die Fristverlängerung?

Die Fristverlängerung gilt lediglich für jene Schuldner, die durch die COVID-19 Krise in die wirtschaftliche Krisensituation geraten sind.

Jenen Schuldnern, die im Zeitpunkt des Auftretens von COVID-19 schon materiell insolvent waren, steht die die 120-Tage-Frist nicht zur Verfügung. Dass deren Sanierungsbemühungen eventuell auch die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung miteinbeziehen, ändert grundsätzlich nichts an der bisherigen 60-Tages-Frist zur Antragsstellung, da die Unternehmenskrise nicht durch COVID-19 ausgelöst wurde.

Zu beachten ist auch in der Corona-Krise, dass die Fristverlängerung lediglich für ernstliche, aussichtsreiche Sanierungsversuche genutzt werden kann, dh es muss die realistische Chance bestehen, den eingetretenen Insolvenzeröffnungsgrund innerhalb der (verlängerten) Frist zu beseitigen. Dazu bedarf es einer entsprechenden Prognose, die laufend zu evaluieren ist.

Aussetzung der Antragspflicht bei Überschuldung

Im Zuge des 4. Covid-19 Gesetzespakets wurde ursprünglich normiert, dass die Verpflichtung des Schuldners, bei Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen, bei einer im Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2020 eingetretenen Überschuldung ausnahmsweise nicht gilt. Durch die nunmehrige aktuelle Änderung des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes (Kundmachung mit 14.10.2020) wurde dieser Zeitraum nunmehr bis zum 31. Jänner 2021 verlängert.

Liegt am Ende dieses Zeitraums Überschuldung vor, muss der Schuldner innerhalb von 60 Tagen ab 31.Jänner 2021 oder innerhalb von 120 Tagen ab Eintritt der Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen, je nachdem welcher Zeitraum später endet.

An der Verpflichtung des Schuldners, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen, hat der Gesetzgeber hingegen nichts geändert.

Verpflichtende Überschuldungsprüfung in der COVID-19-Krise?

Wer hat eine Überschuldungsprüfung durchzuführen?

Eine Verpflichtung zur Überschuldungsprüfung kann sich nur für solche Unternehmensträger bzw Schuldner ergeben, für die der besondere Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung gilt, dh aus praktischer Sicht vorwiegend für

  • Gesellschaften mit beschränkter Haftung
  • Aktiengesellschaften
  • Genossenschaften mit beschränkter Haftung
  • verdeckte Kapitalgesellschaften wie die GmbH & Co KG im engeren Sinne

Aus praktischer Sicht sind auch noch Vereine zu erwähnen, die häufig auch wirtschaftlich tätig sind (zB Sportvereine).

Nach welchen Kriterien ist die Überschuldungsprüfung vorzunehmen?

Ob eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung nach einem zweistufigen Prüfungsverfahren zu ermitteln:

  • Rechnerische Überschuldung: Diese liegt vor, wenn im Falle der Liquidation das Vermögen des Schuldners (Aktiva) zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreicht. Dies ist an Hand eines Liquidationsstatus zu prüfen.
  • Fortbestehensprognose: In deren Rahmen ist durch eine realistische Einschätzung künftiger Erträge und Aufwendungen zu prüfen, ob das Unternehmen in Zukunft zahlungs- und damit lebensfähig bleiben wird. Dabei sind unter Umständen auch Sanierungs- und Finanzierungsmaßnahmen miteinzubeziehen, sofern diese konkret geplant sind, die feste Absicht zu deren Verwirklichung besteht und deren Verwirklichung auch realistisch erscheint.

Jedenfalls bereits in Kraft befindliche staatliche Maßnahmen zur Liquiditätsbeschaffung/Sicherung der Zahlungsfähigkeit von Unternehmen können in die Fortbestehensprognose einbezogen werden, so ferne im konkreten Fall die dafür normierten Voraussetzungen auch vorliegen, sodass jedenfalls eine Prüfung im Einzelfall geboten erscheint.

Anfechtungsrecht

Nach dem 4. COVID-19-Gesetz ist die Gewährung eines Überbrückungskredits in der Höhe einer vom Kreditnehmer beantragten COVID-19 Kurzarbeitshilfe im Zeitraum von 01.03.2020 bis 30.06.2020 und dessen sofortige Rückzahlung nach Erhalt der Kurzarbeitshilfe an den Kreditgeber in einer späteren Insolvenz des Unternehmens von einer Anfechtung nach
§ 31 IO ausgeschlossen
, sofern für den entsprechenden Kredit (i) weder ein Pfand noch eine vergleichbare Sicherheit aus dem Vermögen des Kreditnehmers bestellt wurde und (ii) dem Kreditgeber bei Kreditgewährung die Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers nicht bekannt war.

Hintergrund dieser Regelung ist, dass Arbeitgeber, die in ihren Unternehmen zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit Kurzarbeit für Arbeitnehmer durchführen, im Regelfall zur Aufrechterhaltung der Liquidität bis zur Auszahlung der nach § 37 b AMSG zu gewährenden Kurzarbeitsbeihilfe entsprechende Überbrückungskredite benötigen. Unter den oben beschriebenen Voraussetzungen ist sowohl die Kreditgewährung selbst als auch die sofortige Rückzahlung nach erfolgter Auszahlung der Kurzarbeitsbeihilfe im Falle der späteren Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht anfechtbar.

Neuerungen bei Fristen im Insolvenzverfahren

Fristenunterbrechung

Mit dem 2. COVID-19-Gesetz wurde normiert, dass in gerichtlichen Verfahren, daher auch in Insolvenzverfahren, sämtliche verfahrensrechtlichen Fristen (sowohl gesetzliche als auch richterliche Fristen), die am 22.03.2020 noch nicht abgelaufen waren oder deren Fristenlauf zwischen 22.03.2020 und 30.04.2020 begonnen hat, bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen werden und mit 01.05.2020 neu zu laufen beginnen.

Durch das 4. COVID-19 Gesetz wurden jedoch nunmehr – um insbesondere Sanierungsverfahren rasch abwickeln zu können – Insolvenzverfahren von der Fristenunterbrechung ausgenommen. Bereits unterbrochene Fristen beginnen sofort nach Inkrafttreten des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes (22.03.2020) wieder neu zu laufen; der Tag der Kundmachung (04.04.2020) wird bei der Fristenberechnung nicht mitgezählt.

Die Fristen im Insolvenzverfahren können jedoch auf Antrag oder von Amts wegen um bis zu 90 Tage verlängert werden, bei einigen Fristen aber nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen.

Weiters wurde normiert, dass dem Schuldner die Eigenverwaltung erst dann zu entziehen ist, wenn der Sanierungsplan nicht innerhalb von 120 Tagen (statt 90 Tagen) nach Verfahrenseröffnung von den Gläubigern angenommen wurde.

Erleichterungen bei der Erfüllung eines Sanierungsplans

Gerät ein Schuldner mit der Erfüllung der Sanierungsplanquote in Verzug, kann es grundsätzlich zu einem quotenmäßigen Wiederaufleben der Forderungen kommen (§ 156a IO).

Ein derartiges Wideraufleben soll jedoch verhindert werden, wenn die Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners aus der COVID-19-Krise resultieren. Von dieser Erleichterung profitieren jedoch nur Schuldner von Verbindlichkeiten, die nach dem Inkrafttreten des 2. COVID-19-Gesetzes fällig geworden sind. Eine eine solche Verbindlichkeit betreffende schriftliche Mahnung, die im Zeitraum 22.03.2020 bis zum 30.04.2020 abgesendet wird, führt nicht zum Verzug nach § 156a Abs 1 IO und damit nicht zum quotenweisen Wiederaufleben der Forderung. Die Mahnung ist unwirksam. Der Gläubiger muss nach dem 30.04.2020 (neuerlich) mahnen.

Stundungen von Zahlungsplan-Raten

Ist ein Schuldner infolge der COVID-19-Maßnahmen aufgrund dessen geänderter Einkommens- und Vermögenslage nicht in der Lage fällige Verbindlichkeiten eines Zahlungsplans zu erfüllen, kann dieser eine Stundung der Verbindlichkeiten beantragen. Der Antrag ist spätestens 14 Tage nach Erhalt einer Mahnung zu stellen, eine Stundung ist für einen Zeitraum von höchstens neun Monaten möglich.

Eigenkapitalersatzrecht

Durch das 4. Covid-19-Gesetz wurde weiters eine Ausnahme für kurzfristige Gesellschafterkredite von den Rechtsfolgen des Eigenkapitalersatzrechtes geschaffen. Ein Kredit im Sinne des §1 EKEG liegt demnach nicht vor, sofern dieser im Zeitraum 05.04.2020 und 30.06.2020 der Gesellschaft seitens eines Gesellschafters für nicht länger als 120 Tage gewährt und zugezählt wird und die Gesellschaft weder ein Pfand noch eine vergleichbare Sicherheit aus ihrem Vermögen dafür bestellt hat.

Hintergrund dieser Regelung ist das Eigenkapitalersatz-Gesetz (EKEG), welches für von einem kontrollierend beteiligten Gesellschafter an eine (verdeckte) Kapitalgesellschaft in der Krise gewährten Kredit eine Rückzahlungssperre vorsieht solange die Gesellschaft nicht saniert ist. Während § 3 Abs 1 Z 1 EKEG davon nur Geldkredite für nicht mehr als 60 Tagen ausnimmt, werden nun bis zum Ablauf des 30.06.2020 für nicht mehr als 120 Tage gewährte Geldkredite ausgenommen. Vom EKEG erfasste Gesellschafter können daher auch bei Vorliegen einer Krise bis zum Ablauf des 30.06.2020 ihrer Gesellschaft Geldkredite für bis zu 120 Tagen gewähren, die nicht der Rückzahlungssperre unterliegen. Die kreditnehmende Gesellschaft darf dafür aber aus ihrem Vermögen keine Sicherheit zugunsten des kreditgewährenden Gesellschafters bestellen.

Stand: 28.10.2020