Beschränkung von Verzugszinsen und Ausschluss von Inkassokosten

Bisherige Rechtslage

Dass bei Zahlungsverzug des Schuldners Verzugszinsen anfallen, ist eine übliche und auch ohne vertragliche Vereinbarung automatisch eintretende Konsequenz. Das gilt sowohl für objektiven als auch subjektiven Schuldnerverzug; letzterer setzt ein Verschulden an der Verzögerung voraus. Der Schaden, der einem Gläubiger durch eine verspätete Zahlung entsteht, wird durch die gesetzlichen Zinsen vergütet. Diese betragen üblicherweise 4 % p.a., im Unternehmergeschäft jedoch 9,2 % über dem Basiszinssatz. Wenn der Schuldner im Bereich B2B den Verzug nicht verschuldet hat, kommt ebenfalls nur der geringere Zinssatz zur Anwendung. Nach allgemeinen Regeln wird dieses Verschulden vermutet.

Ein Zinsnachteil, der über die gesetzlichen Zinsen hinausgeht, kann als zusätzlicher Schaden geltend gemacht werden. Dazu zählen auch die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen („Inkassokosten“), soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen. Im Unternehmergeschäft steht dafür sogar mindestens ein verschuldensunabhängiger Pauschalbetrag iHv EUR 40,00 zur Verfügung.

Von diesen Regelungen kann in gewissen Grenzen vertraglich grundsätzlich abgewichen werden, auch und vor allem zum Nachteil des Schuldners.

Neue temporäre Erleichterungen

Dass Verzugszinsen und Inkassokosten in der Krise für den Schuldner eine zusätzliche Belastung darstellen, liegt auf der Hand. Vor diesem Hintergrund fügen sich die konkreten Neuerungen (= § 3 des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes) in das Gesamtbild der COVID-19-Maßnahmen, wonach Unternehmen, deren Liquidität aufgrund nicht oder nur schwer bedienbarer Außenstände leidet, entlastet werden sollen.

Konkret ist ein Schuldner von Geldleistungen wie folgt privilegiert:

  • Er hat höchstens 4 % an Verzugszinsen zu zahlen, auch wenn es andere vertragliche Vereinbarungen geben sollte. Damit wird der gesetzliche Zinssatz für alle Geschäfte vorübergehend auf 4 % eingefroren.

  • Er ist nicht verpflichtet, die Kosten außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen zu ersetzen.

Diese Erleichterungen gelten allerdings nur unter folgenden Voraussetzungen, die nebeneinander erfüllt sein müssen:

  • Der Vertrag, aus dem die Zahlungspflicht resultiert, muss vor dem 01.04.2020 eingegangen worden sein („Altverträge“).

  • Die daraus resultierende Zahlungspflicht wird im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 fällig.

  • Der Zahlungsverzug muss sich als Folge der COVID-19-Pandemie darstellen und den Schuldner dadurch in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen.

All das soll für sämtliche Vertragsverhältnisse gelten. Zudem wird die Klagbarkeit des Anspruchs auf Zahlung des offenen Betrages nicht vorübergehend ausgesetzt. Der Gläubiger kann also unverändert sogleich auf Zahlung klagen.

Wesentlich ist, dass § 3 des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes mit Ablauf des 30.06.2022 automatisch außer Kraft tritt. Das bedeutet, dass bis dahin für einen Zahlungsrückstand maximal 4 % Verzugszinsen anfallen und Inkassokosten nicht dem Schuldner angelastet werden können. Über die Jahresmitte 2022 hinaus, d.h. ab 01.07.2022, gelten dann wieder die bisherigen Regelungen. Besteht der Verzug also über Ende Juni 2022 hinaus, fallen (ab dann) wieder höhere vertragliche oder (zwischen Unternehmern) gesetzliche Zinsen an; zudem können Inkassokosten, die ab dem 01.07.2022 entstanden sind, gefordert werden. Davon zu unterscheiden ist die zeitliche Anknüpfung im Hinblick auf die Fälligkeit: Die temporäre Privilegierung des Schuldners betrifft von vornherein nur Forderungen, die zwischen 01.04.2020 und 30.06.2020 fällig geworden sind.

Es obliegt dem Schuldner, zu behaupten und nachzuweisen, dass er aufgrund der COVID-19-Pandemie erheblich in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Hier werden dieselben Maßstäbe angelegt wie bei der Aufschiebung der Kündigung von Wohnungs-Mietverträgen. Es ist zu vermuten, dass diese Bedingungen großzügig zu Gunsten des Schuldners ausgelegt werden. Immerhin sprechen die Gesetzesmaterialien von unterschiedlichsten Konstellationen, in denen die erforderliche kommerzielle Beeinträchtigung vorliegen kann, sei es wegen Entzug oder Einschränkung der Erwerbstätigkeit, sei es als gesundheitliche (zB Erkrankung) oder gesundheitspolizeiliche (zB Quarantäne) Pandemiefolge.

Fazit

Es ist hier nicht der Ort, die Zweckmäßigkeit und Ausgewogenheit der dargestellten Übergangsregelungen zu kommentieren. Wie so oft wird der Standort den Standpunkt beeinflussen. Und Fairness ist nur scheinbar objektivierbar. Zudem werden Verzugszinsen und Inkassokosten vielfach keine exorbitanten Summen ausmachen. Was für den jeweiligen Anlassfall aber gesagt werden kann: Es ist wichtig, vorhandene Verträge und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Privilegierung exakt zu prüfen.

Unsere Experten der SAXINGER COVID-19-Unit stehen Ihnen in diesem Zusammenhang sowie zur Beantwortung sonstiger Rechtsfragen im Zusammenhang mit COVID-19 gerne zur Verfügung.

Stand: 06.04.2020

Ansprechpartner
Dr. Alexander Wöß
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