Zum Erlöschen einer durch Übertragungsakt entstandenen Servitut durch gutgläubigen Erwerb

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH, die durch die überwiegende Lehre bestätigt wurde, entstehen Dienstbarkeiten ohne Titel und Modus (Verbücherung), wenn das Eigentum an zwei Grundstücken, bei denen eines offenkundig dem anderen dient (und weiterhin dienen soll) und die bisher demselben Eigentümer gehörten, durch Übertragung auseinanderfällt. Der Erwerber des dienenden Grundstücks bzw. dessen Eigentümer (auch für den Veräußerer kann auf diese Weise eine Servitut begründet werden) kann die Eintragung einer Dienstbarkeit, die den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, verlangen (vgl dazu ausführlich Memmer in ABGB-ON 1.02 § 481 Rz 12 mwN). In der nun vorliegenden Entscheidung vom 04.09.2014, GZ 5 Ob 27/14b, bestätigt der OGH diese Rechtsprechungslinie.

Grundsätzlich ist für die Begründung einer Dienstbarkeit durch Übertragungsakt Voraussetzung, dass Anlagen vorhanden sind, die den Zweck des Dienens offenkundig machen. Der Erwerber der dienenden Liegenschaft muss die bisher faktisch bestehende Dienstbarkeit entweder gekannt haben oder er hätte sie wegen ihrer Offenkundigkeit zumindest kennen müssen. Der OGH stellt klar, dass es bei positiver Kenntnis der faktisch bestehenden Dienstbarkeit auf das Vorhandensein von Anlagen nicht ankommt.

Eine nicht verbücherte Servitut erlischt durch gutgläubigen lastenfreien Erwerb eines Dritten – sofern sie nicht offenkundig ist. Eine Berufung auf die Gutgläubigkeit hinsichtlich der Freiheit von Dienstbarkeiten ist nur möglich, wenn keine Umstände vorliegen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit den wahren vom Grundbuchstand abweichenden Sachverhalt erkennen lassen. Bewiesen werden muss aber nicht das Vorliegen der Gutgläubigkeit; vielmehr trägt derjenige, der eine Dienstbarkeitsberechtigung behauptet, die Beweislast für die Schlechtgläubigkeit des Erwerbers. Die Beweispflicht umfasst aber nicht auch den Beweis der Tatsache, dieser habe keine Nachforschungen angestellt. Kann der behauptetermaßen Dienstbarkeitsberechtigte Umstände darlegen, die dem/den Erwerber/n Anlass zu Nachforschungen gaben, liegt es an ihm/ihnen, die angestellten Nachforschungen und deren Ergebnis zu beweisen. Wird das Bestehen einer Dienstbarkeit behauptet, zerstört dies per se den guten Glauben des Erwerbers der vermeintlich unbelasteten Sache nicht, doch löst es die Pflicht aus, Nachforschungen darüber anzustellen, ob die Behauptung zutrifft. Die Nachforschungspflicht hält sich im Rahmen eines zumutbaren Aufwands an Zeit und Mühe, lässt sich aber nicht darauf beschränken, dass der Erwerber einer nach dem Grundbuchstand unbelasteten Liegenschaft nur offenkundige, also durch besondere Anlagen in die Augen fallende Dienstbarkeiten, gegen sich gelten lassen müsste.

Die bei einzelnen Miteigentümern fehlende Gutgläubigkeit, die deren Vertrauen auf den Buchstand zerstört, geht auch zu Lasten aller gutgläubigen Miteigentümer. Wenn auch nur ein Miteigentümer bei gehöriger Aufmerksamkeit den wahren vom Grundbuchstand abweichenden Sachverhalt über eine Dienstbarkeit erkennen hätte können oder gekannt hat, können sich die übrigen Miteigentümer der Liegenschaft selbst bei einem zeitlich gestaffelten Erwerb von Miteigentumsanteilen an einer dienenden Liegenschaft nicht wirksam auf das Grundbuch berufen.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens durch Übertragung des offenbar dienenden Grundstücks erworben. Der Erwerber des dienenden Grundstücks veräußerte die Wohnungseigentumsobjekte der darauf später errichteten Wohnanlage nach und nach zu einem Zeitpunkt, in dem nicht (mehr) erkennbar war, dass es sich bei derjenigen Liegenschaft, die im Eigentum des Klägers verblieb, um das herrschende Grundstück handelte, an die 13 Beklagten. Zwei der Erwerber wurden auf die Differenzen zwischen dem Kläger und ihrem Vertragspartner (dem Veräußerer der Wohnungseigentumsobjekte) über das Bestehen einer Dienstbarkeit hingewiesen. Aus diesem Grund wären sie zu Nachforschungen – zumindest durch die naheliegende und zumutbare Rückfrage beim Kläger – verpflichtet gewesen. Aufgrund der Unterlassung derartiger Nachforschungen wurde ihre Gutgläubigkeit verneint, was das Erlöschen der Servitut des Klägers verhinderte. Der Kläger konnte daher die Dienstbarkeit gegenüber sämtlichen Erwerbern geltend machen; diese wurden schuldig gesprochen, in die Einverleibung der Dienstbarkeit einzuwilligen.

Fazit:
Eine Dienstbarkeit kann allein durch Übertragung eines Grundstücks, das offensichtlich einem anderen diente, „begründet“ werden. Die Servitut als dingliches Recht entsteht also nicht nur ohne Verbücherung, was schon im Allgemeinen nicht unumstritten ist (Stichwort: „offenkundige Dienstbarkeiten“), sondern vielmehr auch ohne Einräumung durch einen Vertrag (auf die Ersitzung ging der OGH nicht ein, obwohl die Ausübung des Wegerechts seit über 30 Jahren vorgebracht wurde); der Titel liegt vielmehr in der Übertragung der Liegenschaft selbst. Das Erlöschen dieser Dienstbarkeit durch gutgläubigen lastenfreien Erwerb wird durch die Schlechtgläubigkeit bloß einzelner Erwerber verhindert. Es reicht, wenn der angeblich Dienstbarkeitsberechtigte Umstände beweist, die eine Nachforschungspflicht der Erwerber hinsichtlich der wahren Rechtslage auslösen; können die Gegner nicht nachweisen, dass sie zumutbare Nachforschungen angestellt haben, die diese Zweifel beseitigten, sind sie schlechtgläubig.

Autorin: Maria Praher (Linz)