Vorsicht Falle - Betriebsübergang trotz Aufhebung des Kaufvertrages

Mit der Entscheidung des OGH vom 22.08.2012 zu 9 Oba 144/11h erfolgte die erste Rechtsprechung des OGH zur Frage des Betriebsübergangs und zur Übernahme von Arbeitsverhältnissen im Falle einer nachträglichen Aufhebung des Unter-nehmenskaufvertrages. Im gegenständlichen Fall hat ein Erwerber ein anderes Unternehmen erworben und die zugehörige Mitarbeiterin übernommen. Die Übernahme der Mitarbeiterin erfolgte derart, dass der neue Arbeitgeber der Mitarbeiterin bereits Anweisungen gegeben hat, das Gehalt bezahlte und auch weitere Arbeitgeberpflichten erfüllte. In der Zwischenzeit hat der Erwerber den Unternehmenskaufvertrag angefochten und wurde dieser rückwirkend aufgehoben. Der Erwerber hat dann der Mitarbeiterin zwar erklärt, dass er nicht mehr der Dienstgeber sei, die Dienstgeberpflichten hat der Erwerber jedoch auch nach Aufhebung des Kaufvertrages weiter erfüllt. Nach weiteren Jahren haben sich die finanziellen Schwierigkeiten des Erwerbers verstärkt und der Betrieb des Erwerbers wurde geschlossen. Die betroffene Dienstnehmerin hat in der Folge ihre Entgeltforderungen sowohl gegenüber dem Erwerber als auch gegenüber dem Veräußerer geltend gemacht.

Vertragsbeziehung für Betriebsübergang unerheblich

Nach ständiger Rechtsprechung spielt die Rechtsgrundlage des Betriebsübergangs keine Rolle und verliert das Fehlen einschlägiger Vertragsbeziehungen zur Vermeidung der Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs sein Gewicht, sofern die übrigen Merkmale des Betriebsübergangs ausgeprägt sind. Der Inhaberbegriff der Betriebsübergangsrichtlinie erfasst jene natürliche oder juristische Person, die für den Betrieb verantwortlich ist und gegenüber den im Unternehmen beschäftigten Dienstnehmern die Arbeitgeberverpflichtung eingeht. Entscheidend ist die tatsächliche Übernahme des Betriebs. Der Zeitpunkt des Betriebsübergangs ist – unabhängig von der Vereinbarung zwischen Erwerber und Veräußerer – nach objektiven Faktoren zu bestimmen und orientiert sich nach der tatsächlichen Übernahme der arbeitsrechtlichen Organisation und der Leitungsmacht.

Faktische Übernahme der Leitungsmacht

Ausgehend davon kommt im vorliegenden Fall der Argumentation des Betriebserwerbers betreffend die rückwirkende Aufhebung seines Vertrags mit dem Veräußerer des Betriebes keine Relevanz zu. Im Rahmen des Betriebsüberganges geht es nicht um die rechtlichen Grundlagen des Betriebsübergangs, die zwischen Betriebsübergeber und Betriebserwerber gar nicht vorhanden sein müssen, sondern um die faktische Übernahme der Leitungsmacht und die Ausübung der Arbeitgeberfunktionen. Im gegenständlichen Fall hat der Erwerber diese Leitungsmacht über den Betrieb völlig eindeutig übernommen. Der Erwerber konnte auch nicht nachweisen, dass der Veräußerer den Betrieb nach Aufhebung des Unternehmenskauf-vertrages faktisch wieder zurückgenommen hätte. Auch wenn dieser Sachverhalt wohl besonders gelagert ist, birgt diese Regelung auch erhebliche Gefahren für aufschiebende Bedingungen. Tritt z.B. der Käufer vom Kaufvertrag noch in der Übernahmephase zurück und hat er aber in diesem Zeitpunkt bereits die Leitungsmacht über den Betrieb ausgeübt, so liegt ein Betriebsübergang vor (BAG 15.12.2005 8 AZR 2002/05). Dies gilt wohl auch dann, wenn aufschiebende Bedingungen nicht eintreten, aber bereits faktische Geschäftshandlungen für den Betrieb gesetzt wurden.

Autoren: Alois Hutterer (Wels) & Roland Heinrich (Wels)