Deutschland: Vorlageentscheidung des Bundesgerichtshofs zum Europäischen Gerichtshof in Grundsatzfragen des internationalen Insolvenzrechts

Inhalt:

Hintergrund des Falles
Internationale Dimension und rechtliche Argumentation
Vorlagefragen an den EuGH
Bedeutung des Verfahrens


Karlsruhe – Schindhelm hat in Zusammenarbeit mit dem vor dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt Dr. Thomas Winter einen bedeutenden Erfolg erzielt: Mit Beschluss vom 16. Januar 2025 (Aktenzeichen: IX ZR 229/23) hat der Bundesgerichtshof eine Vorlageentscheidung nach Art. 267 AEUV an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) getroffen, um höchstrichterlich ungeklärte Grundsatzfragen des internationalen Insolvenzrechts in Bezug auf grenzüberschreitende Gesellschafterdarlehen im deutsch-österreichischen Rechtsverkehr zu klären.

Hintergrund des Falles

Die von den deutschen Schindhelm-Partnern Dr. David Kluth, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, und Michael Schmidt, LL.M., vertretene Mandantin ist eine österreichische Gesellschaft, die mittelbar als Gesellschafterin an einer deutschen GmbH mit Sitz in Schwerin beteiligt war. Die Mandantin hatte der GmbH mehrere Darlehen gewährt, darunter ein durch Abtretung besichertes Darlehen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die GmbH erhob die Mandantin Klage gegen den Insolvenzverwalter auf Feststellung ihrer Forderungen als Insolvenzforderungen sowie auf abgesonderte Befriedigung hinsichtlich des besicherten Darlehens. Gleichzeitig sah sich die Mandantin mit einer Widerklage des Insolvenzverwalters konfrontiert, der Insolvenzanfechtungsansprüche geltend machte und einen Nachrang der Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO behauptete.

Internationale Dimension und rechtliche Argumentation

Dr. David Kluth und Michael Schmidt argumentierten, dass die Fragen der Insolvenzanfechtung und der Rangfolge der Forderungen nicht nach deutschem, sondern nach österreichischem Recht zu beurteilen seien. Grundlage dafür ist die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO 2000), die in grenzüberschreitenden Fällen Anwendung findet. Zwar gilt grundsätzlich das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus), doch ermöglicht Art. 13 EuInsVO 2000, dass in bestimmten Konstellationen das ausländische Vertragsstatut (lex causae) anwendbar ist. Durch unsere österreichische Partnerkanzlei Saxinger wurde hierzu unter Federführung des Partners Dr. Maximilian Gumpoldsberger, Wels, eine rechtliche Stellungnahme zum österreichischen Insolvenz- und Eigenkapitalersatzrecht gefertigt. Die von Schindhelm vertretene Rechtsauffassung wurde zudem durch ein Gutachten des renommierten Professors Dr. Peter Kindler von der Ludwig-Maximilians-Universität München gestützt. Die Vertretung der Mandantin vor dem Bundesgerichtshof übernahm Herr Rechtsanwalt Dr. Thomas Winter, Karlsruhe.

Vorlagefragen an den EuGH

Der Bundesgerichtshof legte vier Fragen zur Vorabentscheidung vor:

  1. Ist Art. 13 EuInsVO 2000 auf Gesellschafterdarlehen anwendbar?
  2. Sind Gesellschafterdarlehen wie andere Schuldverhältnisse nach dem Vertragsstatut zu beurteilen, oder erfolgt die Anknüpfung nach dem Gesellschaftsstatut der darlehensnehmenden Gesellschaft?
  3. Gilt der Grundsatz der Rechtswahlfreiheit auch für Gesellschafterdarlehen?
  4. Handelt es sich bei nationalen Insolvenzvorschriften zum Nachrang von Gesellschafterdarlehen um international zwingende Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Rom I-Verordnung?

Bedeutung des Verfahrens

Das Verfahren unterstreicht die erfolgreiche Zusammenarbeit innerhalb der internationalen Anwaltsallianz der Saxinger Schindhelm Services SE. Es bietet die Gelegenheit, erstmals verbindliche Aussagen des EuGH über die Anwendung des internationalen Insolvenzrechts auf grenzüberschreitende Gesellschafterdarlehen zu erzielen. Diese Entscheidung wird richtungsweisend für alle nationalen Gerichte in der EU sein.

Dr. David Kluth, Michael Schmidt und Dr. Thomas Winter erklärten: „Wir sind stolz darauf, mit unserer Expertise und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit an dieser Grundsatzentscheidung mitzuwirken.“



Autor: Dr. David Kluth
Autor: Michael Schmidt