Ungarn: Das Gesellschaftsrecht im neuen Bürgerlichen Gesetzbuch

Hintergrund
Der ungarische Nationalrat hat in seiner Sitzung am 12. Februar 2013 über das aus acht Büchern und 1598 Paragrafen bestehende neue Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) beschlossen. Das BGB, das am 15. März 2014 in Kraft tritt, enthält im dritten Buch die neuen Regelungen über die juristischen Personen, das Gesellschaftsrecht.

Das BGB hat somit die Regelungen des mehrfach novellierten gesonderten Gesetzes über die Wirtschaftsgesellschaften, das nunmehr fast 25 Jahre (seit 1989) in Kraft ist, übernommen. Allerdings handelt es sich dabei nicht nur um eine Umstrukturierung der Kodifikation, sondern um ein gänzlich neues Konzept. Die bisher zwingenden Bestimmungen des Gesetzes über die Wirtschaftsgesellschaften werden nunmehr ab März 2014 dispositiv. Dies hat in Fachkreisen viele Debatten ausgelöst und wird zweifelsohne bis zur Entstehung einer einheitlichen neuen Rechtsprechung den Juristen viel Kopfzerbrechen bereiten.

Die wichtigsten Neuerungen
Eine der wichtigsten konzeptionellen Neuerungen im neuen BGB ist, dass es den Gründern von Wirtschaftsgesellschaften freie Hand gibt, ihre Rechtsverhältnisse untereinander - aber auch die zwischen ihnen und der Gesellschaft - frei und ihren Bedürfnissen bzw. der Funktion der einzelnen Wirtschaftsgesellschaft angepasst, zu regeln. Die Bestimmungen des dritten Buches des BGB sollen lediglich als Modell dienen und wie bei bürgerlich rechtlichen Verträgen soll den Parteien eine weitgehende Vertragsschließungsfreiheit eingeräumt werden. Als Faustregel gilt, dass alles, was von Gesetzes wegen nicht verboten ist oder etwaige Rechte Dritter, wie Gläubiger, Arbeitnehmer oder Minderheitsgesellschafter der Gesellschaft schmälert, erlaubt ist. Selbstverständlich gibt es aber auch solche Regelungen, die von der Autonomie der Gründer oder Mitglieder der Gesellschaften ausgenommen sind. Hierzu zählen zum Beispiel die Bestimmung der einzelnen Formen der Wirtschaftsgesellschaften oder sämtliche Bestimmungen, die die staatliche Aufsicht der Wirtschaftsgesellschaften sichern.

Auswirkungen für die Praxis / für Investoren in Ungarn
Die bislang bekannten Formen der Wirtschaftsgesellschaften, wie die am meisten gebräuchliche „Kft.“ (ungarische GmbH) oder „Rt.“ (ungarische AG) bleiben unverändert bestehen. Jedoch kann die neue Vertragsfreiheit dazu genutzt werden, die Ansprüche der Gesellschafter oder Aktionäre an den Betrieb der einzelnen Gesellschaften möglichst dynamisch auszugestalten. So werden die bislang parallel zu Gesellschaftsverträgen bestehenden Syndikats-Verträge, die in oft umständlicher Weise versucht haben, zwingende Regelungen des Gesellschaftsgesetzes zu umgehen, praktisch hinfällig.

Bezüglich der Gründung der Gesellschaften ist eine wichtige Neuregelung die nicht unbedeutende Erhöhung des Mindestkapitales der „Kft“, das von 500.000 Forint (ca. 1.650 EUR) auf 3 Mio. Forint (ca. 10.000 EUR) erhöht wird.

Zur Sicherung des Geschäftslebens wurden die Regelungen der Haftung der Geschäftsleitung der einzelnen Wirtschaftsgesellschaften einheitlich und strenger geregelt. In diesem Sinne haften die Mitglieder der Geschäftsleitung für sämtliche im Zuge ihrer Geschäftsführungstätigkeit der Gesellschaft verursachten Schäden gegenüber dieser gemäß den Haftungsregelungen für Vertragsschäden, die im schuldrechtlichen Teil des neuen BGB behandelt werden.

Gänzlich neu ist auch die gesamtschuldnerische Haftung gemeinsam mit der Gesellschaft gegenüber Dritten für den Schaden, der aus einer Pflichtverletzung ihrer leitenden Tätigkeit resultiert.

Wurden bislang die leitenden Repräsentanten einer Gesellschaft im Innenverhältnis gemäß den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln (Schadenersatzregelungen) haftbar gemacht, so haften sie ab März 2014 gemäß den strengeren Haftungsregelungen für Vertragsschäden. Ebenso haften die leitenden Repräsentanten nun generell als Gesamtschuldner, während bisher - mit Ausnahme der Situation der drohenden Zahlungsunfähigkeit einer Gesellschaft - nur die Gesellschaft im Außenverhältnis haftbar war.

Begründet hat der Gesetzgeber diese strengere Haftungsregelung mit den erhöhten Anforderungen, die an den leitenden Repräsentanten einer Gesellschaft gestellt werden. Sollte dieser also gegen seine gegenüber der Gesellschaft bewusst gewählten Pflichten verstoßen, so sanktioniert der Gesetzgeber dies durch ein strengeres Auftreten seinerseits.

Fazit
Die nach schweizerischem bzw. holländischem Muster erfolgte Neukodifizierung des Gesellschaftsrechtes im Rahmen des neuen BGB soll dem monistischen Konzept des bürgerlichen Rechtes dienen. Nach diesem soll das BGB ab März nicht mehr nur als Hintergrund für gesellschaftsrechtliche Regelungen gelten, sondern mit diesen eine Einheit bilden. Zu hoffen ist, dass die Rechtsprechung auf die vielen Fragen, die die Praxis und Anwendung der neuen Regelungen ohne Zweifel mit sich bringt, bald Antwort gibt.

Autorin: Andrea Bayer