Spanien: Compliance – Die Reform der Strafbarkeit juristischer Personen

Im Juli 2015 trat in Spanien ein neues Gesetz zur Strafbarkeit juristischer Personen in Kraft. Die wichtigste Änderung erfolgte auf dem Gebiet der Compliance, die nunmehr explizit und ausführlich geregelt wird. Durch die Einführung und Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen können Unternehmen seitdem die Voraussetzungen für einen Strafausschluss schaffen. Die praktische Bedeutung von Compliance-Programmen für in Spanien tätige Unternehmen hat sich damit erheblich erhöht.

Hintergrund
Juristische Personen sind in Spanien seit 2010 selbst unmittelbar strafrechtlich verantwortlich (Grundlagengesetz 5/2010 vom 22.06.2010). Der Einfluss von Compliance-Programmen auf die Strafbarkeit eines Unternehmens war durch die Reform jedoch nur rudimentär geregelt. Entsprechende Maßnahmen, die nach der Deliktsbegehung erfolgten, wurden gewissermaßen als nachträglicher Strafmilderungsgrund qualifiziert (atenuante a posteriori), ohne dass dabei auf ihren Inhalt und die konkrete Ausgestaltung eingegangen wurde. Aufgrund dieser unklaren Regelung war in der Folge insbesondere umstritten, ob einem Unternehmen Delikte seines Führungspersonals quasi als Automatismus zuzurechnen waren oder Compliance-Maßnahmen im Wege teleologischer Auslegung auch eine präventive strafrechtliche Wirkung zukommen konnte und das Unternehmen nur bei eigenen Versäumnissen (beispielsweise in der Organisation) strafbar war.

Reform der Strafbarkeit juristischer Personen 2015

a) Grundsätzliches
Durch das zum 01.07.2015 in Kraft getretene Grundlagengesetz 1/2015 (vom 30.03.2015) hat der Gesetzgeber eindeutig zum Modell einer autonomen strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmen Stellung bezogen (die Rede ist von autorresponsabilidad). Demnach ist eine juristische Person nur bei eigenen Organisations- oder Kontrolldefiziten strafbar. Compliance-Programme (auch präventiv eingeführte) sind nunmehr als Strafmilderungs- bzw. sogar Strafausschließungsgrund vorgesehen. Außerdem werden seitdem konkrete Anforderungen an die Programme gestellt. Nur wenn alle Vorgaben ausreichend umgesetzt werden, kommt ein Ausschluss der Strafe in Betracht, andernfalls ist diese zumindest zu mildern. Hervorzuheben ist, dass die Einführung von Compliance-Programmen für die Unternehmen keinesfalls verpflichtend ist, sondern vielmehr eine Möglichkeit, auf die eigene Strafbarkeit Einfluss zu nehmen. Durch die Reform wurde zudem der Kreis der Personen, für die das Unternehmen ggf. strafrechtlich einstehen muss, ausgeweitet und umfasst nunmehr neben dem Vorstand, vereinfacht gesagt, auch alle Mitarbeiter, die von einem Vorgesetzten überwacht werden, wenn sie ungenügend kontrolliert werden.

b) Die Voraussetzungen für eine Strafmilderung/einen Strafausschluss
Art. 31bis 2 CP normiert verschiedene Voraussetzungen für einen Strafausschluss. Sind diesenur teilweise erfüllt sind, kommt eine Strafmilderung in Betracht. Zusammengefasst sind dies folgende Bedingungen:

  • Das Unternehmen muss ein Compliance-Programm eingeführt und umgesetzt haben (Art. 31bis 2 Nr. 1 CP).
  • Das Programm muss von einem Kontrollorgan überwacht werden (Art. 31bis 2 Nr. 2 CP). Kleine Unternehmen sind von dieser Bestimmung ausgenommen.
  • Der Mitarbeiter muss das Programm zur Begehung der Straftat in betrügerischer Weise umgangen haben, dies setzt den entsprechenden Vorsatz voraus (Art. 31bis 2 Nr. 3 CP).
  • Das Kontrollorgan darf seine Überwachungs- und Kontrollaufgaben nicht unterlassen oder unzureichend ausgeübt haben (Art. 31bis 2 Nr. 4 CP).

c) Die konkreten Vorgaben an das Compliance-Programm
Die Verpflichtung, ein Compliance-Programm einzurichten, wird in Art. 31bis 5 CP konkretisiert. Dort hat der Gesetzgeber nunmehr die konkreten Anforderungen an das Programm und dessen Umsetzung normiert. Vorgegeben ist eine Reihe von Einzelmaßnahmen. Diese reichen von der Verpflichtung des Vorstands, sich um die Organisation und Verwaltung des Programms zu kümmern, konkrete Anforderungen an das Kontrollorgan und der Verpflichtung zur Erstellung von Übersichten zu risikoreichen Geschäftsbereichen und Protokollen, die den Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess aufschlüsseln, über die Einrichtung von Mechanismen zur Kontrolle der Finanzmittel und des Geldflusses des Unternehmens und obligatorischen Disziplinarmaßnahmen bei Verstößen gegen die Verhaltensvorgaben bis hin zur Einrichtung von gefahrlosen Kanälen zur Meldung von Unregelmäßigkeiten und Verstößen (whistleblowing) sowie der regelmäßigen Evaluierung und Überprüfung des Programms.

Fazit
Die Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen 2010 bedeutete eine Zäsur, in der Folge war die neue Situation durch Unklarheiten, insbesondere über die Auswirkungen von Compliance-Programmen auf die Strafbarkeit von Unternehmen geprägt. Durch die Reform wurde insoweit Klarheit geschaffen, als der Gesetzgeber durch die Vorgabe konkreter Maßnahmen den Unternehmen die Möglichkeit bietet, ihre Strafbarkeitsrisiken durch deren Adaption selbst zu beeinflussen. Zwar sind die Vorgaben nicht verpflichtend, jedoch werden Compliance-Programme durch die Neuregelung noch interessanter als zuvor und es empfiehlt sich, zu einer möglichst umfassenden Absicherung des Unternehmens, diese den Anforderungen entsprechend umzusetzen. Hervorzuheben ist, dass dies auch für ausländische Unternehmen gilt, die ihren Tätigkeitsschwerpunkt in Spanien haben, da diese grundsätzlich der Strafbarkeit des Art. 31 CP unterfallen können.

Autoren: José Tornero & Moritz Tauschwitz