Polen: Restrukturierungsgesetz – Ein neues Instrument zur Unterstützung der Unternehmen in Not

Hintergrund
Am 09.09.2014 hat die polnische Regierung den Entwurf eines neuen Restrukturierungsgesetzes angenommen. Das Gesetz zielt auf die Einführung wirksamer Sanierungsmittel für Unternehmer bei gleichzeitiger Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für Gläubigerrechte ab. Es soll der Umsetzung der „Politik der zweiten Chance“ dienen und den Unternehmen, die aufgrund der nachteiligen Veränderungen der Marktverhältnisse in Not geraten sind, Bedingungen für einen neuen Start schaffen. 


Die Restrukturierung von Unternehmen war bisher im Insolvenz- und Sanierungsgesetz geregelt. Wie das Kabinett als Begründung für die Einführung gesonderter Regelungen über Restrukturierungsmaßnahmen betont, sollen Gläubiger die Restrukturierung nicht mit dem Insolvenzverfahren assoziieren. Das Letztgenannte sei nämlich im Bewusstsein vieler Gläubiger dermaßen verankert, dass jegliche Sanierungsmaßnahmen erfahrungsgemäß schwer durchsetzbar sind. Der Gesetzesentwurf wird nun vom Parlament behandelt.

Hauptziele der neuen Regelungen
Das Restrukturierungsgesetz zielt auf die erfolgreiche Sanierung der Schuldnerunternehmen und auf den wirksamen Schutz der Gläubigerrechte ab. Zur Umsetzung dieser Ziele will der Gesetzgeber restrukturierungsrechtliche Verfahren beschleunigen, insbesondere durch die Einführung kürzerer Bearbeitungsfristen für Sachwalter und Insolvenzrichter, aber auch durch die Einrichtung eines zentralen Restrukturierungs- und Insolvenzregisters, in dem alle Beschlüsse und Bekanntmachungen der Insolvenzgerichte sowie sonstige verfahrensrelevante Angaben und Musterunterlagen bereit gestellt werden.

Derzeit sind in Polen (im Gegensatz beispielweise zur Tschechischen Republik) Informationen über Insolvenzen nur in einem sehr beschränkten Umfang öffentlich zugänglich, nämlich in Form einer Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung in einem Amtsblatt.

Im Rahmen neuer Regelungen sollen Rechte der Gläubiger ausgeweitet und die Kompetenzen des Gerichts zugleich begrenzt werden. Die Gläubiger werden nun die Sachwalter und Gläubigerausschussmitglieder selbständig benennen. Ihre Entscheidungen in dem Bereich werden, im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage, für die Insolvenzrichter bindend sein.


Der Gesetzesentwurf sieht auch Lösungen vor, um ein eventuelles Ausnützen des Restrukturierungsverfahrens durch Schuldner zur Benachteiligung der Gläubiger zu verhindern. Meldet der Schuldner beispielsweise fiktive Gläubiger an, um dadurch die Feststellung des Restrukturierungsplans zu erwirken, ist das Gericht berechtigt, die Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens zu verweigern. Aus demselben Grund kann das Verfahren auch eingestellt werden. In diesem Fall können Gläubiger einen vereinfachten Insolvenzantrag stellen. Bis zur Überprüfung des Antrags wird das Vermögen des Schuldners gesichert. Sollten der Restrukturierungsantrag und der Insolvenzantrag gleichzeitig gestellt werden, wird das Gericht ersterem den Vorzug geben, es sei denn, mit der Antragstellung liegt offensichtlich eine Benachteiligung der Gläubiger vor. In einem solchen Fall ist das Gericht berechtigt, unmittelbar den Insolvenzantrag zu überprüfen.

Wesentliche Instrumente: Restrukturierungsplan und Restrukturierungsberater
Der Gesetzesentwurf unterscheidet vier Verfahrenswege, die - je nach der Geschäfts- und Finanzlage des Unternehmens - sowohl bei eingetretener als auch drohender Zahlungsunfähigkeit vom Schuldner beschritten werden können: Vom Verfahren zur Feststellung des Restrukturierungsplans, in dem der Schuldner den Plan selbstständig erstellt und von den Gläubigern bewilligen lässt, bis zum Sanierungsverfahren, in dem vom Schuldner neben dem Plan auch weitere Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden können, wie z.B. betriebsbedingte Massenkündigungen oder der Rücktritt von langfristigen Verträgen.

Das zentrale Instrument aller Verfahren stellt der Restrukturierungsplan dar, in dem die Geschäfts- und Finanzlage sowie die Mikro- und Makroumwelt des zu restrukturierenden Unternehmens dargestellt werden. Der Umfang eines solchen Planes kann vom Sachwalter beschränkt werden, wenn für die Beurteilung der Vergleichsmöglichkeiten nicht alle Gläubiger oder Angaben ermittelt werden müssen. In der Praxis genügt es oft, sich mit den „strategischen“ Gläubigern, vor allem jenen, die die Geschäftstätigkeit des Unternehmens finanzieren, über die Restrukturierungsmaßnahmen zu einigen. Damit kann eine eventuelle Sperre der Feststellung des Restrukturierungsplans verhindert werden.

Anstelle eines Insolvenzverwalters wird mit der Aufsicht über die Maßnahmen eines Schuldners ein zugelassener Restrukturierungsberater beauftragt. Im Gegensatz zum Insolvenzverwalter wird er nicht ausschließlich durch das Gericht, sondern auch durch Gläubiger und Schuldner benannt. Der bestellte Restrukturierungsberater überwacht die Maßnahmen des Schuldners und unterstützt ihn bei Verhandlungen mit Gläubigern sowie beim Abschluss und der Umsetzung des Planes. Als Restrukturierungsberater werden Profis, die auf Restrukturierung von Unternehmen spezialisiert sind, zugelassen. Des Weiteren werden sie für ihre Schnelligkeit und Effektivität prämiert. In diesem Bereich schafft der Gesetzesentwurf neue Einsatzmöglichkeiten für Wirtschaftsanwälte.

Fazit
Das Restrukturierungsrecht stellt für Unternehmen in Not ein wesentliches Rechtsinstrument dar, damit wirtschaftliche Probleme nicht mit dem Untergang des Unternehmens gleichgesetzt werden. Die Restrukturierung der geschäftlichen Tätigkeit ist ein unerlässlicher Bestandteil des wirtschaftlichen Konjunkturzyklus. Die vorgesehenen rechtlichen Maßnahmen haben zweifellos das Potenzial, die tatsächliche Sanierung von Unternehmen anstatt ihrer Insolvenz zu fördern. Das neue Gesetz soll am 01.01.2015 in Kraft treten.

Autoren: Konrad Schampera & 
Aleksandra Krawczyk