Polen: Rechtsentwicklung im Bereich Erneuerbarer Energien in Polen

Neue Abstandsregelung, eine weitere verwaltungsrechtliche Genehmigung, neue Definition der Windkraftanlage – mit dem neuen Gesetzentwurf kann die Entwicklung der Windenergie in Polen erheblich gesperrt werden.

Den Wahlversprechen zufolge ist die nationalkonservative Regierung bestrebt, die bisherige dynamische Entwicklung des Windkraftsektors in Polen zu hemmen. Ein deutliches Signal dafür ist der am 19.02.2016 ins Parlament eingebrachte Gesetzentwurf über Investitionen im Windkraftsektor. Der Begründung zum Entwurf zufolge dienten vorgeschlagene Regelungen betreffend die Standortplanung und den Betrieb von Windenergieanlagen einem deutlich höheren Schutz der Bürger und der Umwelt sowie der Verbesserung gesellschaftlicher Akzeptanz der Investitionen in Windkraft.

Nach dem Gesetzentwurf sollen u.a. neue Standortregeln für Windkraftanlagen bestimmt werden. Der Regierungsvorschlag sieht vor, dass Windräder nunmehr im Abstand von ca. 1,5 bis 2 km zu Wohnsiedlungen aber auch zu Naturschutzgebieten errichtet werden. Der vorgeschriebene Abstand entspricht dem Zehnfachen der gesamten Anlagenhöhe, d.h. bis zum höchsten Punkt der Anlage (inklusive Rotor und Blätter). Bei 2 km Abstand wären nach Schätzungen der Energiemarktexperten nur noch 0,1 Prozent der Fläche Polens als Potenzialflächen für die Errichtung von Windenergieanlagen verfügbar.

Darüber hinaus führt der Gesetzentwurf eine weitere verwaltungsrechtliche Auflage ein, die sich auf die Gesamtkosten der Investition wesentlich auswirken wird. Neben der Nutzugsgenehmigung werden Bauherren/ Betreiber nunmehr auch verpflichtet sein, eine gesonderte Inbetriebnahmegenehmigung einzuholen. Diese wird entgeltlich durch das Amt für technische Überwachung (polnisch abgekürzt: UDT, entspricht etwa dem TÜV) mit der Geltungsdauer von zwei Jahren erteilt, wobei sie vom Betreiber auch nach jeglicher Reparatur und Modernisierung erneut eingeholt werden muss – heißt es im Entwurf. Für die Erteilung der Inbetriebnahmegenehmigung werden Prüfstellen jeweils eine Gebühr in Höhe von bis zu 1 % des Investitionswertes erheben. Für bestehende Anlagen werden die Betreiber eine Inbetriebnahmegenehmigung innerhalb von einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes einholen müssen. Sollten Windenergieanlagen ohne diese Genehmigung in Betrieb genommen werden, drohen den Verantwortlichen Bußgelder oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (!).

Den neuen Vorschriften zufolge können Windparks nunmehr ausschließlich aufgrund örtlicher Bebauungspläne errichtet werden. Bisher konnten Windenergieanlagen u.a. auch aufgrund eines auf Bauvoranfrage erteilten Bauvorbescheids gebaut werden. Gerade diese Regelung ist insbesondere für Bauherren und Entwickler von großen Windkraftprojekten am wenigstens umstritten, denn solche Projekte werden bislang ohnehin auf der Grundlage von zu diesem Zweck aufgestellten bzw. geänderten Bebauungsplänen durchgeführt. Meist betroffen wird dadurch der dezentrale verbrauchernahe Einsatz von Kleinanlagen, für welche Hindernisse im Zusammenhang mit der Aufstellung und Verabschiedung eines Bebauungsplans im Hinblick auf dabei anfallenden Kosten und Zeitaufwand nur schwer überwindet werden können, sein.

Darüber hinaus sieht der Gesetzesentwurf eine neue Definition der Windkraftanlage vor. Demnach soll die ganze Windenergieanlage als ein Bauwerk im Sinne baurechtlicher Vorschriften, bestehend zumindest aus einem Fundament, einem Turm und technischen Komponenten, eingestuft werden. Begründet wird dies damit, dass Windenergieanlagen unter die Bauaufsicht fallen sollen. Die Einstufung der Windräder als ein Bauwerk hat jedoch nicht nur baurechtliche Folgen, sondern auch erhebliche finanzielle Konsequenzen sowohl für zukünftige als auch bisherige Anlagenbetreiber, und zwar die Erhöhung der Immobiliensteuer. Bislang gilt die Aufteilung in einen baulichen Teil und in eine technische Anlage (Turm, Rotor, Rotorblätter). Bei Bauwerken beträgt die Immobiliensteuer 2 % des Wertes des Bauwerks, wobei der Besteuerung zur Zeit nur der bauliche Teil unterliegt und nicht die übrigen technischen Anlagenteile.

Am 16.03.2016 hat der Gesetzentwurf die erste Lesung in der Sitzung des Ausschusses für Infrastruktur durchlaufen. Der für die Beratung des Gesetzentwurfes eingerichtete Unterausschuss hat die Entwurfsvorschläge im Wesentlichen aufrechterhalten und nur „kosmetische“ Änderungen eingeführt. Wann die zweite Lesung stattfindet und wie die finalen Regelungen aussehen werden, ist noch nicht bekannt. Einschätzungen der Energieexperten zufolge wird sich das geplante Gesetz auf die Entwicklung der Windenergie in Polen hemmend auswirken.

Änderungen in der Energieeffizienzpolitik
Am 24.02.2016 hat die Regierung auch den Entwurf zum neuen Energieeffizienzgesetz angenommen. Er ist auf die Anforderungen der EU an eine effiziente Energienutzung zurückzuführen, wonach bis 2020 eine Energieeinsparung von 20 % erreicht werden soll. Die neuen Vorschriften sollen das bisherige Gesetz über die Energieeffizienz vom 15.04.2011 ersetzen. Laut dem neuen Gesetzentwurf wird der Minister für Energie alle drei Jahre einen Nationalen Energieeffizienz-Aktionsplan erstellen. Der erste Aktionsplan muss der Europäischen Kommission bis Ende April 2017 vorgelegt werden.

Die Energieeffizienz soll u.a. durch den Kauf von energieeffizienten Produkten, das System der Nachweise für getätigte Energieeffizienzmaßnahmen oder den Verzicht auf die Ersatzgebühr verbessert werden. Als eine Neuerung wurde die Pflicht zur Durchführung regelmäßiger Energieaudits eingeführt. Demnach werden Großunternehmen verpflichtet, alle vier Jahre ein rechtskonformes Energieaudit durch einen unabhängigen Auditor zu durchlaufen. Ausgenommen davon sind Mikro-, Klein- und Mittelunternehmen.

Weiße Zertifikate
Eines der Hauptinstrumente zur Erreichung der Einsparziele ist das System der weißen Zertifikate. Den Vorschriften zufolge soll auf Ausschreibungen bei der Vergabe der weißen Zertifikaten verzichtet werden. Darüber hinaus wird die Möglichkeit der Entrichtung der Ersatzgebühr beschränkt, wobei die Gebühr selbst von PLN 1.000,00 auf PLN 1.500,00 je Tonne Erdöläquivalent erhöht wird. Das System der weißen Zertifikate dient der Erreichung der Einsparziele laut der EU-Rechtlinie über die Energieeffizienz, wonach Polen in den Jahren 2014 – 2020 jährlich 1,5 % der Energie zu sparen hat.

Zukunft des Auktionssystems
Gemäß dem Gesetz über Erneuerbare Energien vom 20.02.2015 sollten einige Vorschriften, darunter hinsichtlich der Auktionen, am 01.01.2016 in Kraft treten. Mit der Novelle des EE-Gesetzes vom 29.12.2015 wurde das Inkrafttreten dieser Regelungen auf den 01.07.2016 verschoben.

Der polnische Energiemix werde dem Energieministerium zufolge durch nicht steuerbare Windenergiequellen beherrscht und soll in dieser Hinsicht modifiziert werden. In der jetzigen Form würde das Auktionssystem nur die aktuelle Struktur regenerativer Energien festigen. Das Ministerium will jedoch jene erneuerbaren Energien fördern, die mehr steuerbar und stabil sind, d.h. vor allem Biogasanlagen aber auch die Mitverbrennung von Biomasse, die neu organisiert wird. Ob das Auktionssystem aufrechterhalten wird und einschlägige Regelungen wie geplant am 01.07.2016 in Kraft treten, ist im Moment nur schwer abzusehen. Nach Einschätzung des Energieministers Tchórzewski soll Ende Mai 2016 ein neuer Gesetzentwurf zur EEG-Novelle ins Parlament eingebracht werden.

Bürgerenergie ohne „Prosumenten-Änderung“
Ähnlich wie Auktionsregelungen sollen sog. Prosumenten-Vorschriften des EEG auch am 01.07.2016 in Kraft treten. Demnach sollen Besitzer kleiner Anlagen mit einer Leistung von bis zu zehn Kilowatt, die Strom für Eigenbedarf erzeugen und etwaigen Überschuss ins öffentliche Netz einspeisen, in den Genuss einer festen Einspeisevergütung kommen. Die Verabschiedung der Einspeisetarife bedeutet eine Kehrtwende in der polnischen Energiepolitik. Ziel der sog. Prosumenten-Änderung ist es, die gerechte Vergütung für den ins öffentliche Netz eingespeisten Strom zu gewährleisten, so dass private Haushalte keine finanziellen Verluste im Zusammenhang mit den Investitionen in Mikroanlagen erleiden. Den neusten Angaben zufolge bereitet das Ministerium für Energie jedoch einen Gesetzentwurf vor, wonach es von der verabschiedeten Prosumenten-Änderung absehen will. Nunmehr sollen nur diejenigen natürlichen Personen gefördert werden, die Strom in regenerativen Energiequellen ausschließlich für Eigenbedarf erzeugen.

Autor: Konrad Schampera