Polen: Änderungen im Bereich des Erwerbs von Agrarflächen in Polen laut neuem Gesetzentwurf

Hintergrund
Zum Ende der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete das polnische Parlament das viel diskutierte Gesetz über die Gestaltung der landwirtschaftlichen Flächenstruktur. Das Gesetz sollte am 01.01.2016 in Kraft treten. Kurz vor Weihnachten 2015 unterzeichnete der Staatspräsident von Polen eine Mitte Dezember durch das Parlament verabschiedete Novelle des Gesetzes, wonach das Inkrafttreten neuer Vorschriften vom 01.01.2016 auf den 01.05.2016 verschoben wurde. Bis dahin, d.h. bis zum Ablauf der Übergangsfrist für den genehmigungspflichtigen Erwerb von Grundstücken durch EU-Ausländer, will das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bestehende Regelungen noch verschärfen und somit den Erwerb von Agrarland ausschließlich durch private Landwirte fördern, wodurch landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Flächen gewährleistet werden soll. Zu diesem Zweck hat das Agrarressort bereits einen Gesetzentwurf parat, mit dem der Verkehr mit Agrarflächen eingeschränkt werden soll („Gesetz über die Einstellung des Verkaufs von Böden des öffentlichen Agrarflächenbestands und über die Änderung einiger sonstiger Gesetze“).

Ab 01.05.2016 dürfen Angehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union land- und forstwirtschaftliche Grundstücke in Polen genehmigungsfrei kaufen. Obwohl der Durchschnittspreis des Ackerlandes in den letzten zehn Jahren um rund 500% gestiegen ist, sind Agrargrundstücke in Polen immer noch billiger als im Westen Europas. Die neuen Vorschriften richten sich allerdings nicht direkt gegen ausländische Käufer, sondern setzen vielmehr die allgemeinen Voraussetzungen für den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen recht hoch und zwar zur Verhinderung jeglicher „Spekulationsgeschäfte“ (insbesondere durch vorgeschobene Personen, sog. „Strohleute“) und Förderung polnischer Landwirte gegenüber kaufkraftstärkeren Westeuropäern.

Verkehr mit staatlichen Landflächen gesperrt
Der Gesetzentwurf sieht die Sperrung des Handels mit Agrarflächen für fünf Jahre ab Inkrafttreten des geplanten Gesetzes vor. Ausgenommen davon sind:

  • umgewidmete Grundstücke, die im Bebauungsplan bzw. im Flächennutzungsplan der Gemeinde insbesondere für Technologie- und Industrieparks, Logistikcenter, Lagerhallen, Wohnungsbebauung, Sport- und Erholungsanlagen,
  • Grundstücke innerhalb der Sonderwirtschaftszonen,
  • landwirtschaftliche Grundstücke unter 1 Hektar,
  • Wohnungen und Häuser.

Landwirtschaftliche Grundstücke der öffentlichen Hand (derzeit ca. 1,5 Mio. Hektar) sollen nunmehr verpachtet werden. Nach Ablauf von 5 Sperrjahren werden staatliche Landflächen vorrangig im Wege beschränkter Ausschreibungen veräußert, wodurch Familienbetriebe gefördert werden sollen. Es gilt dabei, die Gesamtfläche der im Eigentum des Erwerbers stehenden und jemals von der Staatskasse gekauften Agrargrundstücke darf nach dem Erwerb infolge der Ausschreibung 300 Hektar nicht überschreiten. Personen, die bereits vorher insgesamt 300 Hektar staatliches Agrarland gekauft haben, können an den Ausschreibungen nicht teilnehmen. Ebenfalls diejenigen Kaufinteressenten, die jegliche Zahlungsrückstände gegenüber der Agentur für landwirtschaftlich genutzte Flächen, der Staatskasse, den Gebietskörperschaften oder der Sozialversicherungsanstalt haben.

Private Einzellandwirte als bevorzugte Erwerber
Das Agrarressort zielt mit dem Gesetzentwurf noch weiter darauf ab, dass Grundstücke nunmehr grundsätzlich ausschließlich durch private Landwirte gekauft werden können und will damit gewährleisten, dass die Landwirtschaft in Polen der Verfassung zufolge auf landwirtschaftlichen Familienbetrieben basiert. Der Gesetzentwurf konkretisiert weiter den bestehenden Begriff „Einzellandwirt“. Einzellandwirt ist, wer über berufliche Qualifikationen im Bereich der Landwirtschaft verfügt und die Landwirtschaft persönlich betreibt. Die letztere Voraussetzung ist laut Entwurf insbesondere gegeben, wenn Einkünfte des Landwirtes aus landwirtschaftlichem Betrieb nachweislich mindestens ein Viertel aller seiner Einkünfte darstellen. Das Einkommenskriterium gilt jedoch nur für Betriebe mit einer Agrarfläche von über 20 Hektar. Ein Einzellandwirt, der landwirtschaftliche Fläche zur Neugründung bzw. Vergrößerung seines bereits bestehenden Familienbetriebes kaufen will, muss sich darüber hinaus verpflichten, in der Gemeinde, in der eines seiner Grundstücke gelegen ist, im Zeitraum von 5 Jahren nach dem Grundstückskauf zu wohnen.

Der Entwurf sieht vor, dass Grundstücke ausnahmsweise auch an dem Veräußerer nahestehende Personen, die Staatskasse, Gebietskörperschaften oder – mit Zustimmung der staatlichen Agentur für landwirtschaftlich genutzte Flächen – auch an andere Rechtsträger verkauft werden können. Es gilt dabei nachzuweisen, dass gesetzlich bevorzugte Personen am Kauf nicht interessiert waren, das Grundstück nach Veräußerung landwirtschaftlich genutzt wird und das Kaufgeschäft nicht eine übermäßige Eigentumskonzentration in einer Hand zur Folge hat. Im Übrigen sieht der Entwurf ein generelles Verbot des Verkaufs vom Staat gekauften Agrarflächen innerhalb von zehn Jahren ab Erwerb vor, es sei denn, das Gericht hat dem Verkauf zugestimmt. Bei Verletzung des Verbotes wird das Kaufgeschäft für nichtig erklärt. Das Grundstück wird dann durch Gerichtsurteil durch den Staat gegen Zahlung des Gegenwertes in Geld übernommen. Gleiche Rechtsfolgen treten bei Verletzung der Pflicht durch den Grundstückseigentümer ein, falls er die Flächen innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Sperrzeit von 10 Jahren nicht persönlich bewirtschaftet oder aufhört, die Landwirtschaft persönlichen zu betreiben.

Weitgehendes Übernahmerecht für die staatliche Agentur
Der Gesetzentwurf räumt der Agentur für landwirtschaftlich genutzte Flächen mehr Rechte ein, insbesondere das Vorkaufsrecht und das Ankaufsrecht hinsichtlich aller landwirtschaftlichen Grundstücke und nicht – wie bisher – nur Agrarflächen größer als 5 Hektar. Die Agentur wird auch berechtigt sein, Gesellschaften mit landwirtschaftlichem Grundbesitz zu kontrollieren. Im Rahmen dieser Berechtigung wird ihr Vorkaufsrecht an Aktien und Anteilen der Handelsgesellschaften, welche Eigentümerinnen von Agrarflächen sind (ausgenommen Börsengesellschaften), eingeräumt. Bei jeglicher Änderung der Beteiligungsstruktur solcher Gesellschaften durch Veräußerung von Anteilen bzw. Aktien wird die Agentur berechtigt sein, die Anteile bzw. Aktien zu übernehmen. Vor Ausübung des Vorkaufsrechts kann die Agentur Einsicht in die Handelsbücher und Unterlagen der Gesellschaft nehmen sowie jegliche Angaben zu in Handelsbüchern nicht ausgewiesenen Lasten und Verbindlichkeiten anfordern. Insoweit greift die geplante Novelle in wirtschaftliche Einheiten ein. Im Falle einer Personengesellschaft mit Grundbesitz kann die Agentur bei Gesellschafterwechsel oder Beitritt eines neuen Gesellschafters den landwirtschaftlichen Grundbesitz der Gesellschaft gegen Zahlung des Grundstückswertes, den sie selbst aufgrund gesonderter Vorschriften festlegen wird, durch sog. Gestaltungserklärung übernehmen. Dem neuen Gesetzentwurf zufolge ist die Definition des „Erwerbs von Grundstücken“ sehr weit gefasst. Demnach plant der Gesetzgeber, dass Agrarflächen, die aufgrund eines anderen Vertrages als Kaufvertrag, eines einseitigen Rechtsgeschäfts, eines Urteils oder Vollstreckungsbeschlusses oder eines anderen Rechtserwerbs, insbesondere der Ersitzung, Vererbung bzw. Spaltung oder Verschmelzung von Handelsgesellschaften veräußert werden, durch die Staatskasse übernommen werden können.

Sollte das Gesetz in dieser Fassung verabschiedet werden, wird der Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken praktisch gesehen erheblich eingeschränkt, wenn nicht gar gesperrt. Die Einräumung neuer Rechte der Agentur hinsichtlich der Übernahme von Grundstücken und Anteilen bzw. Aktien an Handelsgesellschaften erweckt viele Bedenken. Das Gesetz soll am 30.04.2016 in Kraft treten. Der Gesetzentwurf wurde zur Zeit zur öffentlichen Konsultation vorgelegt. Wie die finalen gesetzlichen Regelungen aussehen werden, ist nicht absehbar.

Autor: Konrad Schampera