Novelle des Bundesgesetzes vom 29. Juni 1977 zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen

Im Jahre 1977 wurde die ursprüngliche Stammfassung des Bundesgesetzes vom 29.06.1977 zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen beschlossen, dieses trat erstmals am 1.10.1977 in Kraft und wurde seither wiederholt novelliert, die aktuelle und letzte Änderung trat mit 01.01.2022 in Kraft. Durch die Novelle wurde der bisherige Langtitel auf die Bezeichnung Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen abgeändert. Gleichzeitig wird auch ein Kurztitel für das Bundesgesetz eingeführt, dieser lautet ab 01.01.2022 „Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz“ und wird mit „FWBG“ abgekürzt.


Inhalt


Ziel der Novelle

Die vorgenommenen Ergänzungen erfolgten großteils in dem neu eingefügten Abschnitt 2 und dienen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette in das nationale österreichische Recht.

Die Käufer von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen in der dazugehörigen Lieferkette, weisen in der Praxis oftmals eine weitaus höhere Verhandlungsmacht auf als die Produzenten und Lieferanten. Die landwirtschaftlichen Erzeuger und gewerblichen Produzenten als Lieferanten in der Lebensmittellieferkette sind oftmals kleine und mittlere Unternehmen, die dadurch besonders benachteiligt werden.

Die Rechte der Benachteiligten – aufgrund der ungleichen Machtverhältnisse – sollen durch die Novellierung gestärkt werden, besonders gegen die einseitige Bestimmung von Konditionen und Vertragsklauseln durch Marktmächtigere Unternehmen. Durch die Diktion von Konditionen und Vertragsklauseln besteht das Risiko, dass einzelne Produkte oder Produktgruppen aus dem Sortiment des Handels genommen werden und im Endeffekt kleine und mittlere Unternehmen aus dem Markt ausscheiden und der Markt dadurch konzentriert wird. Dies geht damit einher, dass der bisherige alleinige Fokus auf den niedrigsten Preis für den Endkonsumenten dahingehend erweitert bzw. angepasst wird, um den Preisdruck auf die Produzenten der ersten Stufe der Lieferkette zu senken. Dadurch soll vermieden werden, dass viele kleine und mittlere Unternehmen aus dem Markt ausscheiden und die Produktvielfalt abnimmt, sowie regionale Arbeitsplätze verloren gehen. Zukünftig soll gewährleistet werden, dass nicht nur die Konsumentenpreise als Hauptaugenmerk betrachtet werden, sondern auch die Qualität, Innovation und Vielfalt der Produkte, sowie die Nachhaltigkeit und Regionalität dieser.

Zu verbesserten Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen wird für die Lieferanten die Möglichkeit geschaffen, unkomplizierte Beratung in Bezug auf unfaire Handelspraktiken zu erhalten. Dazu wird per Gesetz eine Erstanlaufstelle eingerichtet.

Um bei Verstößen von Käufern gegen die Bestimmungen zu verbotenen Handelspraktiken diese auch effektiv sanktionieren zu können, wird in dem Gesetz ein System der Rechtsdurchsetzung integriert, welches auch einen konkreten Strafrahmen für einzelne Verstöße festlegt.

Eigenständige Begriffsdefinition

Um die Tragweite und den Umfang der Novellierung und des Inhalts des Gesetzes eindeutig erfassen zu können, wurden Begriffsdefinitionen in den Gesetzestext des FWBG aufgenommen, nämlich die folgenden:

Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse sind jene, die in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) genannt sind, sowie jene, die daraus zur Verbwendung als Lebensmittel verarbeitet wurden. Abrufbar unter https://www.aws.at/fileadmin/user_upload/Downloads/ergaenzende_Information/VVE_Liste_landwirtschaftlicher_Erzeugnisse.pdf. Diese werden im Folgenden auch als Produkte bezeichnet.

Käufer sind juristische und natürliche Personen, sowie Behörden, die Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse erwirbt.

Lieferant sind juristisch und natürliche Personen als landwirtschaftliche Erzeuger, die Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse verkaufen.

Verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse sind jene, von denen ausgegangen werden muss, dass sie innerhalb von 30 Tagen nach der Ernte, Erzeugung oder Verarbeitung nicht mehr zum Verkauf geeignet sind.

Auflistung unlauterer Handelspraktiken

Dem Gesetz sind zwei Anhänge beigefügt, in denen unzulässige Handelspraktiken aufgelistet werden. Diese dürfen zwischen Lieferanten und Käufern von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen nicht abgeschlossen werden. Durch die Verbote sind auch Dienstleitungen umfasst, die der Lieferant für den Käufer erbringt. Werden verbotene Handelspraktiken vereinbart, so sind diese betreffenden Klauseln absolut nichtig.

Anhang I enthält Handelspraktiken, die unter allen Umständen verboten sind, nämlich:

  • Festlegung der Zahlung des Lieferanten durch den Käufer bei regelmäßiger oder unregelmäßiger Belieferung von verderblichen Produkten mehr als 30 Tage und bei anderen Produkten mehr als 60 Tage nach dem Leistungszeitraum.
  • Vereinbarung einer Stornierungsfrist von weniger als 30 Tagen bei verderblichen Produkten außer dem Lieferanten ist eine alternative Vermarktungs- bzw Verwertungsmöglichkeit der Produkte möglich.
  • Vereinbarung der einseitigen Möglichkeit für den Käufer, die Häufigkeit, die Methode, den Ort, den Zeitpunkt oder den Umfang der Lieferung, sowie Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preise der Vereinbarung zu ändern.
  • Vereinbarung von Zahlungen des Lieferanten an den Käufer, die nicht in Zusammenhang mit der Lieferung der Produkte stehen oder für Qualitätsminderungen der Produkte nach Übergabe an den Käufer.
  • Verweigerung einer schriftlichen Bestätigung der Bedingungen der Liefervereinbarung durch den Käufer an den Lieferanten.
  • Rechtswidrige Nutzung von Geschäftsgeheimnissen des Lieferanten durch den Käufer.
  • Androhung von kommerziellen Vergeltungsmaßnahmen bei vertraglicher Rechtsdurchsetzung des Lieferanten oder der Einforderung von Entschädigungen für die Bearbeitung von Kundenbeschwerden durch den Käufer gegenüber dem Lieferanten.
  • Benachteiligung einzelner Lieferanten bei vergleichbaren Leistungen durch den Käufer sowie die Forderung des Käufers an den Lieferanten, die Produkte zur Sicherstellung von Liefermengen nicht selbst zu vermarkten.

Anhang II enthält Handelspraktiken, die klar und eindeutig in der Vereinbarung festgehalten werden müssen, nämlich:

  • Rücksendung von nicht verkauften Produkten an den Lieferanten, ohne für diese oder die Beseitigung zu bezahlen.
  • Zahlung des Lieferanten an den Käufer für den Verkauf der Produkte.
  • Teilweise oder gänzliche Überwälzung von Preisnachlässen durch den Käufer an den Lieferanten.
  • Zahlung des Lieferanten für Werbung für die Produkte durch den Lieferanten.
  • Zahlung des Lieferanten für die Vermarktung der Produkte durch den Käufer.
  • Zahlung des Lieferanten an den Käufer zur Deckung von Personal- und Einrichtungskosten der Räumlichkeiten zur Vermarktung der Produkte.

Diese Verbote von Handelspraktiken sind nur dann anzuwenden, wenn zwischen dem Käufer und dem Lieferanten ein Missverhältnis der Verhandlungsmacht besteht, sowie Käufer und/oder Lieferant innerhalb der Europäischen Union niedergelassen sind. Ein Missverhältnis der Verhandlungsmacht liegt jedenfalls vor, wenn sich die Jahresumsätze von Lieferant und Käufer wie folgt darstellen (in EUR):

  • Lieferant bis 2 Mio, Käufer mehr als 2 Mio.
  • Lieferant 2 Mio bis 10 Mio, Käufer mehr als 10 Mio.
  • Lieferant 10 Mio bis 50 Mio, Käufer mehr als 50 Mio.
  • Lieferant 50 Mio bis 150 Mio, Käufer mehr als 150 Mio.
  • Lieferant 150 Mio bis 350 Mio, Käufer mehr als 350 Mio.
  • Lieferant 350 Mio bis 1 Mrd, Käufer mehr als 5 Mrd.

Einrichtung einer Erstanlaufstelle

Für die Lieferanten ist es oft wichtig, dass trotz der Verwendung verbotener Vertragsinhalte die Lieferbeziehung zu fairen Konditionen weiter aufrecht erhalten bleibt und nicht ein langjähriges Verfahren vor Gericht geführt werden muss. Aufgabe der Erstanlaufstelle ist es, den „fear effect" der Lieferanten zu brechen und so Konflikte durch Beratung, unbürokratisch und schnell zu lösen. Die Beratung durch die Erstanlaufstelle ist für Lieferanten kostenlos, diese ist als Dienststelle beim Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus eingerichtet.

Die Haupttätigkeit der Erstanlaufstelle ist grundsätzlich die Beratung der Lieferanten. Dazu werden die Beschwerdefälle analysiert, der Beschwerdegegner (Käufer) und/oder eine Interessensvertretung mit der Beschwerde konfrontiert und wenn notwendig eine Schlichtungsstelle (z.B. Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltskammer) mit dem Beschwerdefall befasst.

Verbesserung der Rechtsdurchsetzung

In Zusammenhang mit dem FWBG wird die Bundeswettbewerbsbehörde („BWB“) als Ermittlungsbehörde für die Ermittlung und Verfolgung von Verstößen gegen die Bestimmungen des FWBG bestimmt. Dafür werden ihr weitreichende Ermittlungsbefugnisse eingeräumt, damit diese auch von Amts wegen ihre Aufgaben wahrnehmen kann.

Jeder in Österreich niedergelassene Lieferant und jeder Lieferant, sofern der Käufer in Österreich niedergelassen ist, kann bei der Ermittlungsbehörde eine Beschwerde einbringen. Die Ermittlungsbehörde darf aber auch ohne vorliegen einer Beschwerde von Amts wegen tätig werden und Ermittlungen durchführen.

Wie bisher bleibt die gerichtliche Sonderzuständigkeit des Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht bzw. der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht bestehen, sofern sich die Ansprüche ausschließlich auf das FWBG beziehen. Dies gilt für die Untersagung von Verhaltensweisen gemäß §§ 1 und 3 FWBG von ungerechtfertigten Bedingungen gemäß § 2 FWBG und unlauteren Handelspraktiken gemäß § 5c FWBG sowie zur Anordnung, Beschränkung oder Aufhebung von Lieferverpflichtungen gemäß § 4 FWBG.

Zur effizienteren Durchsetzung gegen Verstöße von Käufern gegen das neu eingefügte Verbot von unlauteren Handelspraktiken kann durch das KartG ab dem 01.05.2022 eine Geldbuße in der Höhe von bis zu EUR 500.000,00 über den Käufer verhängt werden. Bei der Bemessung der Geldbuße ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Käufers, auf die erzielte Bereicherung, Dauer und Schwere der Rechtsverletzung Bedacht zu nehmen.

Zusätzlich ist jede Entscheidung des KartG, sei es eine Untersagung oder eine Verhängung einer Geldbuße aufgrund einer Zuwiderhandlung gegen das Verbot von unlauteren Handelspraktiken, zu veröffentlichen. Diese Veröffentlichung hat die Beteiligten zu bezeichnen und den Sachverhalt zusammengefasst wiederzugeben.

Resümee

Die bisherigen Bestimmungen des FWBG bleiben unverändert bestehen, jedoch durch die Umsetzung der europarechtlichen Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette in ihrem Umfang erweitert.

Das neu eingefügte Verbot der unlauteren Handelspraktiken betrifft vor allem Vertragsverhältnisse über die Zulieferung von Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse zwischen marktmächtigen Käufern und verhältnismäßig kleineren Lieferanten. Für Käufer im Sinne des FWBG ist es besonders wichtig, aus den folgend genannten Gründen keine unlauteren Handelspraktiken in Verträgen mit Lieferanten zu verwenden:

  • Die Vertragsklauseln und Bestimmungen einer Vereinbarung, welche unlautere und somit verbotene Handelspraktiken darstellen, sind absolut nichtig. Diese wurden somit zwischen Käufer und Lieferant überhaupt nicht vereinbart, dies führt zu ungewollten Lücken in der Vereinbarung.
  • Im Falle einer Entscheidung durch das Kartellgericht wegen der Verwendung unlauterer und somit verbotener Handelspraktiken kann über den Käufer eine Geldbuße von bis zu EUR 500.000,00 verhängt werden.
  • Die Entscheidung des Kartellgerichts wegen der Verwendung unlauterer und somit verbotener Handelspraktiken ist zu veröffentlichen. Da darin die Beteiligten namentlich genannt werden, kann dies zu einem Image- und Reputationsschadens für den Käufer führen.

Sämtliche Unternehmen, die Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse von Lieferanten beziehen, sollten sämtliche bereits abgeschlossene und zukünftig noch abzuschließende Verträge mit den jeweiligen unterschiedlichen Lieferanten auf – nach dem FWBG – verbotenen Klauseln und Bestimmungen überprüfen. Es ist unbedingt dafür Sorge zu tragen, dass solche verbotenen Formulierungen keinesfalls verwendet werden, damit der Straftatbestand nicht verwirklicht wird.



Autor: Christina Hummer
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