Italien: Konsortien – Ausweitung der Haftung der einzelnen Konsortialgesellschaften für Verbindlichkeiten des Konsortiums

In einer jüngst ergangenen Entscheidung hatte sich das Gericht von Palermo mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit und v.a. unter welchen Voraussetzungen eine Konsortialgesellschaft direkt für durch das Konsortium eingegangene Verbindlichkeiten haftet und ist dabei zu durchaus innovativen Schlussfolgerungen gelangt.

Hintergrund
In der Rechtssache 2822/2016 hatte ein Unternehmen der Pharmaindustrie, welches durch die Verfasser vertreten wurde, Vollstreckungsmaßnahmen gegen verschiedene Konsortialgesellschaften ausgebracht. Die betroffenen Konsortialunternehmen haben hiergegen Vollstreckungsgegenklage erhoben, mit der sich das angerufene Gericht in Palermo zu befassen hatte. Das Konsortium selbst war in den Vertrieb der durch die die Vollstreckung betreibende Mandantin hergestellten Medikamente eingeschaltet.

Das Konsortium hatte (im eigenen Namen und mithin als formeller Vertragspartner) eine Reihe von Medikamenten bestellt, diese aber nicht bezahlt. Angesichts dessen hatte das Pharmaunternehmen zunächst einen Vollstreckungstitel gegen das Konsortium erwirkt und die (jedoch erfolglose) Vollstreckung in dessen originäre Haftungsmasse versucht. Daraufhin wurde die Zwangsvollstreckung aufgrund desselben Titels gegen die einzelnen Konsortialmitglieder durch Zustellung des sog. "atto di precetto" (eine Art formelle Ankündigung der eigentlichen Zwangsvollstreckung mit genauer Bezifferung des geschuldeten Betrages) angesichts der postulierten gesamtschuldnerischen Haftung zusammen mit dem Konsortium angestrengt. Die Zwangsvollstreckung erfolgte dabei direkt aus dem formell allein gegenüber dem Konsortium erwirkten Titel, welcher auch nur diesem zugestellt worden war. Angesichts der Zustellung des "atto di precetto" erhoben die betroffenen Konsortialmitglieder Vollstreckungsgegenklage.

Die Entscheidung
Das Gericht ist der Argumentation der Verfasser gefolgt und wies die Klagen nicht nur aus materiell-rechtlichen Gründen, sondern gegen die Vollstreckung in das Vermögen der einzelnen Konsortialmitglieder zurück. Die Vollstreckungsmaßnahmen waren nach Auffassung des Gerichts mithin zulässig.

Zunächst bestätigte das Gericht (auf der materiell-rechtlichen Ebene), dass das Konsortium eine Ausnahme von Art. 1705 (Auftrag ohne Vertretung) des italienischen Zivilgesetzbuches darstellt. Folglich wird ein im eigenen Namen handelnder Auftragnehmer durch seine Handlungen dem Dritten gegenüber selbst verpflichtet. Ein Konsortium, welches zwar – aufgrund des Konsortialvertrages – im Auftrag seiner Mitglieder, nach außen hin aber im eigenen Namen handelt, verpflichtet mit seinen Handlungen nicht nur sich selbst, sondern auch direkt die eigenen Konsortialgesellschaften. Dies führt zu einer Ausweitung des traditionellen Verständnisses der Haftung im Konsortium nach Art. 2615 des italienischen Zivilgesetzbuches: Durch die bloße Mitgliedschaft in einem Konsortium übernimmt das einzelne Mitglied automatisch die durch das Konsortium in dessen Interesse eingegangene Verpflichtungen, was zu einer entsprechenden direkten Haftung gegenüber Dritten führt.

Die besprochene Entscheidung geht jedoch darüber noch einmal in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht weit hinaus: Das Gericht nimmt nicht nur eine automatische gesamtschuldnerische Haftung an, sondern es lässt vor allem auch die direkte Vollstreckung aus dem "nur" gegenüber dem Konsortium erwirkten Titel gegen einzelne Mitglieder des Konsortiums zu, was in der italienischen Rechtsordnung bislang nur in bestimmten eng umrissenen Situationen (zu denen das Konsortium nicht gehörte) möglich war.

Doch damit war noch nicht genug: In dem besprochenen Fall erkannte das Gericht Palermo auch eine zulässige Ausnahme von Art. 479 der italienischen Zivilprozessordnung (welcher die vorherige Zustellung des Titels an den Vollstreckungsschuldner fordert), indem die Zwangsvollstreckung trotz fehlender Zustellung betrieben werden kann. Demnach reicht die vorangegangene Zustellung an das Konsortium aus; die Zustellung an das einzelne Konsortialmitglied ist hingegen nicht notwendig. Hierzu hat das Gericht die auf den Auftrag anwendbaren Normen herangezogen: Nach Art. 1713 des italienischen Zivilgesetzbuches trifft den Auftragnehmer (hier: das Konsortium) die Pflicht den/die Auftraggeber von den eigenen Handlungen in Kenntnis zu setzen und mithin auch von der erfolgten Zustellung. Dabei lässt sich das Gericht jedoch eine Hintertür offen: Im vorliegenden Falle stützte sich die Vollstreckungsgegenklage nicht nur auf die Rüge formeller (Zustellungs-)Mängel, sondern auch auf inhaltliche Gründe, so dass die fehlende Zustellung jedenfalls durch „Erreichung des mit dem atto di precetto verfolgten Zwecks “ geheilt worden sei.

Fazit
Die besprochene Entscheidung stellt eine erhebliche Fortentwicklung des Instituts des Konsortiums dar, welcher über den bislang als gesichert geltenden Kenntnisstand – insbesondere im Bereich der gesamtschuldnerischen Haftung der einzelnen Konsortialmitglieder – weit hinausgeht: Sollte es (aus Sicht der einzelnen Konsortialmitglieder) nicht gelingen die nun erheblich ausgeweiteten Haftungsrisiken einzudämmen, könnte die Entscheidung im Endeffekt zu einer deutlichen Einschränkung des Konsortiums als Rechtsform führen, welches heute v.a. im Bereich der Einkaufsgemeinschaften eine große Verbreitung findet.

Es ist nun Aufgabe der Anwälte der Konsortialmitglieder diese auf die bestehenden Haftungsrisiken bei der Wahl der Rechtsform des Konsortiums hinzuweisen und den Konsortialvertrag entsprechend sorgfältig auszuarbeiten. Die Vollstreckungsschuldnerin hat gegen die Entscheidung Berufung eingelegt, so dass abzuwarten sein wird, ob die Entscheidung in dieser Form Bestand haben wird; angesichts der zu erwartenden langen Dauer eines Berufungsverfahrens kann die Entscheidung des Gerichtes Palermo jedoch in der Zwischenzeit nicht außer Acht gelassen werden. Aus Sicht etwaiger Gläubiger des Konsortiums führt dies in jedem Fall zu einer rascheren Beilegung von Streitigkeiten, so dass sich auch bereits erkennen lässt, dass weitere Gläubiger den mit dieser Entscheidung vorgezeichneten Weg einschlagen. Unabhängig von dem Ausgang des Berufungsverfahrens wird sich daher schon in Kürze zeigen, ob die Rechtsprechung dieser mutigen Entscheidung des Gerichtes Palermo folgen wird.

Autoren: Tommaso Olivieri & Paolo Righetti