Ist die traditionelle Ehe vorbei?: Ehe und Ehe light (EPG) für alle?

VfGH-Erkenntnis vom 04.12.2017 und Begründung

Aufgrund des neuen VfGH-Erkenntnisses vom 04.12.2017 (G 258-259/2017) soll eine tatsächliche Gleichstellung von hetero- und homosexuellen Paaren erreicht und jegliche Formen unsachlicher Differenzierungen vermieden werden.

Anlass dieser Entscheidung waren zwei gleichgeschlechtliche Personen, die sich im Jahr 2012 miteinander verpartnert haben bzw eine eingetragene Partnerschaft eingegangen und Eltern eines in dieser Beziehung aufgewachsenen minderjährigen Kindes sind. Diese beiden Personen gleichen Geschlechts fühlten sich diskriminiert, weil ihnen die Ehe – als Institution für Personen verschiedenen Geschlechts nach § 44 ABGB – nicht offenstand. Für gleichgeschlechtliche Paare ist eben derzeit nur die eingetragene Partnerschaft nach dem EPG vorgesehen. Dieses gleichgeschlechtliche Paar beantragte die Zulassung zur Begründung einer Ehe beim Magistrat der Stadt Wien. Mit Bescheid vom 25.08.2015 gab der VwGH Wien der Beschwerde aufgrund von § 44 ABGB, wonach „nur“ zwei Personen verschiedenen Geschlechts gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitig Beistand zu leisten, erklären können, keine Folge.

Im Zuge der Gesetzesprüfung befasste sich der VwGH mit den Unterschieden zwischen den beiden Rechtsinstituten Ehe und eingetragene Partnerschaft im Zusammenhang mit dem Gleichheitsgrundsatz, der natürlich auch den Gesetzgeber bindet; demnach dürfen keine sachlich nicht begründbaren Regelungen getroffen werden.

Der VfGH kam zu dem Ergebnis, dass die Unterscheidung von Ehe und EPG zur Folge hat, dass die sexuelle Orientierung offengelegt werden muss. Dies verbietet der Gleichheitsgrundsatz gem. Art 7 Abs 1 Satz 2 B-VG, denn auf diese Weise wird aus der Perspektive gleichgeschlechtlicher Paare mit dem unterschiedlichen Rechtsinstitut öffentlich und für jede Person deutlich gemacht, dass die von der eingetragenen Partnerschaft erfasste Beziehung zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts etwas Anderes ist als die Ehe zwischen Personen verschiedenen Geschlechts, obwohl beide Beziehungen intentional von den gleichen Werten getragen sind. Gerade durch diese Unterscheidung wird nämlich die unterschiedliche sexuelle Orientierung zum Ausdruck gebracht. Es besteht sohin die Gefahr der Diskriminierung.

Konsequenzen und rechtliche Umstellung

Für den Anlassfall, nämlich die beiden lesbischen Frauen, die den VfGH anriefen, wirkt dieses Erkenntnis nunmehr sofort und hat zur Folge, dass sie nunmehr heiraten dürfen. Homosexuelle Paare, die sich gegenständlich nicht beschwert haben, können die Ehe ab dem Jahr 2019 schließen.

Im Übrigen gibt es eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2019; bis zu diesem Zeitpunkt muss der Gesetzgeber eine legistische Änderung vornehmen. Dies bedeutet konkret, dass vom Nationalrat mit einfachem Gesetz beschlossen werden kann, dass es die EPG künftig für niemanden mehr geben kann, weil es ohnehin die Ehe für alle gibt oder die EPG und die Ehe (EheG) für alle Paare nebeneinander existiert.

Wenn der Nationalrat nicht handelt, dann gilt die eingetragene Partnerschaft (= EPG) weiter. Nach dem gegenständlichen VfGH-Erkenntnis muss es diese Möglichkeit des Zusammenlebens oder (lebenslangen) Vertrages auch für Partnerschaften zwischen Mann und Frau geben. Theoretisch könnte diese Gleichstellung zwischen Homo- und Heterosexuellen noch „per Bundesverfassungsgesetz“ verhindert werden. Hierfür ist jedoch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich; dieses Erfordernis ist derzeit aufgrund der politischen Parteien bzw Machtverhältnisse aber auszuschließen.

Wird die EPG nicht abgeschafft, können es sich gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare tatsächlich aussuchen, ob sie eine Ehe schließen wollen oder doch besser den Weg der eingetragenen Partnerschaft (EPG) gehen wollen. Vom VfGH wurde ausgesprochen, dass die restlichen Bestimmungen der EPG nicht verfassungswidrig sind. Diese Wahlmöglichkeit hat auch zur gewünschten Folge, dass die sexuelle Orientierung von den Paaren nicht offenzulegen ist. Damit wird auch den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (= EGMR) entsprochen; nachdem der Begriff Ehe nicht mehr ausschließlich für die Verbindung von Mann und Frau aufrechterhalten wird, kann auch keine Diskriminierung mehr erfolgen.

Umsetzung in der Praxis

Umgekehrt ist zu sagen, dass keine automatische Umstellung von eingetragenen Partnern auf Eheleute erfolgt. Vielmehr müssen verpartnerte Homosexuelle vorher die eingetragene Partnerschaft auflösen, bevor sie eine Ehe schließen können. Regelungen zur Ehescheidung beinhaltet die EPG nicht. Vielmehr geht es in diesem Gesetz um die Auflösung der Ehe, die aber zugegebenermaßen fast genauso wie eine Ehescheidung erfolgt. Die gesetzlichen Bestimmungen sind ähnlich; die Handhabe in der Praxis ist aber noch unklar und höchstgerichtliche Rechtssprechung existiert dazu – soweit ersichtlich – nicht. Fraglich bleibt, ob hier der Gesetzgeber durch zusätzliche Regelungen Hilfestellung bietet.

Abschließend gilt es festzuhalten, dass nunmehr der Gesetzgeber zur Klärung der „Ehe“ für alle verpflichtet ist. Das Thema ist daher immer noch nicht abgeschlossen und es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich dieses Recht entwickelt und welche Wahl getroffen werden sollte.

Für diesbezügliche rechtliche Beratung oder Vorsorgemodelle steht unsere Partnerin und Rechtsanwältin Dr. Birgit Leb, MBA gern zur Verfügung

Autorin: Birgit Leb