Brüssel: Erneut hohe Geldbußen in EU-Kartellrechtsverfahren

Die Europäische Kommission(„Kommission“) verhängte auch in diesem Jahr erneut hohe Geldbußen in den kartellrechtlichen Verfahren auf EU-Ebene.

So wurden bereits bis jetzt Geldbußen von insgesamt EUR 161 Mio. gegen die Unternehmen ACC, Danfoss, Embraco, Panasonic und Tecumseh wegen der Beteiligung an einem europaweiten Kartell bezüglich der Produktion und dem Verkauf von Haushalts- und Gewerbekompressoren verhängt (1).

Im März dieses Jahres bebußte die Kommission vierzehn internationale Speditions- und Logistikbetreiber mit einer Geldbuße von EUR 169 Mio. wegen der Beteiligung an vier getrennten Kartellen in der internationalen Luftfrachtdienst-Industrie (2). Die Verstöße betrafen Absprachen in dem Zeitraum 2002 bis 2007. Zugleich bestrafte die Kommission neun Fensterrahmen-Produzenten mit einer Buße von EUR 86 Mio. für ein Preiskartell von 1999 bis 2007 (3). Nach langjährigem Verfahren verhängte sie Ende März erstmalig eine Geldbuße in Höhe von EUR 2,5 Mio. für eine im Jahr 2009 stattgefundene Behinderung von E-Mail-Durchsuchungen anlässlich einer Hausdurchsuchung bei einem Unternehmen in der Tschechischen Republik.

Im Zusammenhang mit festgestellten Absprachen im E.ON Ruhrgas / GDF Suez Fall bestätigte der EuGH im Juni die von der Kommission vertretene Position und setzte je Unternehmen Geldbußen in Höhe von EUR 320 Mio. fest (4).

Vor wenigen Monaten bestätigte die Kommission die Durchführung von Ermittlungen in folgenden Industrien: maritimer Transportsektor (5), Kabelsätze in der Fahrzeugbranche (6), Vertrieb von CD/DVD-Laufwerken (7), Fahrzeug-Wärmesysteme (8), sowie Kunststoffrohre in der Abwasserindustrie (9).

Hinsichtlich laufender Verfahren wegen Preisabsprachen fokussiert sich die Kommission im Bankensektor derzeit auf die sog. „London Interbank Offered Rate“ („Libor“) und Absprachen bezüglich anderer Marktzinsen und untersucht Abstimmungen und Manipulationen während der Jahre 2005 bis 2009. Mit diesen sollten die wahren Refinanzierungskosten verschleiert und Handelsgewinne eingestrichen werden. Die Kommission hat in der Zwischenzeit auch Änderungen an ihren ursprünglich vorgelegten Vorschlägen für eine Verordnung und eine Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation angenommen. Mit den kürzlich beschlossenen Änderungen wird die Manipulation von Benchmarks offiziell verboten und zu einem Straftatbestand erklärt.

Im gleichen Umfang verfolgt die Kommission seit über zwei Jahren die Aufklärung von Absprachen zwischen zahlreichen Herstellern von Automobilkomponenten und -systemen. Die meisten Kartelle wurden wegen Absprachen von Preisen und/oder Angeboten bzw. Aufteilungen von Märkten und/oder Kunden sanktioniert. Ein reiner Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern wurde bisher von der Kommission nur bebußt, wenn es sich hierbei um einen regelmäßig organisierten Austausch von Geschäftsgeheimnissen zwischen mehreren Wettbewerbern handelte. Nunmehr wird bei den anhängigen Untersuchungen im Automobilsektor auch ein einmaliger oder unregelmäßiger bilateraler Austausch von vertraulicher Information zwischen Wettbewerbern untersucht. Es wird sich weisen, wie schlussendlich die Kommission ein solch branchenübliches Verhalten sanktionieren wird.

Demgegenüber hat die Kommission die geplante Übernahme von bestimmten, auf Festplatten bezogenen, Vermögenswerten von Western Digital durch Toshiba genehmigt (10). Zudem beendete sie die Ermittlungen gegen die Pharmaunternehmen AstraZeneca und Nycomed, die mit angeblichen individuellen oder gemeinsamen Aktionen versuchten, den Markteintritt von Generika zu verzögern (11).

Im Bereich Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verpflichtete sich 2009 Microsoft gegenüber der Kommission, im Europäischen Wirtschaftsraum fünf Jahre lang (bis 2014) Nutzern die Wahl ihres bevorzugten Webbrowsers über ein Auswahlfenster zu ermöglichen. Windows-Nutzern sollte ein Fenster angeboten werden, über welches sie frei entscheiden können, welchen Webbrowser sie zusätzlich zum oder auch anstelle des Internet Explorer von Microsoft installieren möchten (12). Microsoft kam diesen Verpflichtungszusagen allerdings nicht nach, so dass die Kommission am 16. Juli 2012 ein Verfahren zur Prüfung der Frage einleitete, ob Microsoft möglicherweise seinen Verpflichtungen bezüglich der Webbrowser-Auswahl nicht nachgekommen sei. Im Oktober 2012 teilte die Kommission Microsoft die Beschwerdepunkte schriftlich mit (13). Bei einem Verstoß gegen eine Verpflichtung, die per Beschluss nach Artikel 9 VO 1/2003 für verbindlich erklärt wurde, droht dem Unternehmen eine Geldbuße von bis zu 10 % seines weltweiten Jahresumsatzes (14).

Dr. Christina Hummer (Brüssel, Wien)