Arbeitsrechtsänderungen zum Jahreswechsel: Neue Arbeitgeberpflichten, kaum Erleichterungen – ARÄG 2015

Die mit 01.01.2016 bzw. mit dem der Kundmachung des ARÄG 2015 folgenden Tag (29.12.2015) in Kraft getretenen arbeitsrechtlichen Änderungen bringen für Arbeitgeber primär zusätzliche Pflichten. Erfreulich ist die Möglichkeit der Ausdehnung der Arbeitszeit bei Dienstreisen „durch die Reisebewegung“ auf bis zu zwölf Stunden. Die wesentlichen Neuerungen durch das Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 (ARÄG 2015) im Überblick:

Verpflichtende Angabe des Grundgehalts bzw. Grundlohns – § 2 AVRAG
Im Dienstvertrag bzw. Dienstzettel ist nunmehr das/der monatlich zustehende Grundgehalt/Grundlohn betragsmäßig auszuweisen. Ein diesbezüglicher Verweis auf die für das Arbeitsverhältnis geltenden gesetzlichen oder kollektiven Lohnvorschriften ist unzulässig.

Die Änderung des Grundgehalts/Grundlohns ist dem Arbeitnehmer unverzüglich (spätestens binnen eines Monats) schriftlich mitzuteilen. Diese Information kann unterbleiben, wenn die Änderung des Grundgehalts/Grundlohns durch gesetzliche oder kollektive Lohnvorschriften erfolgt, auf die verwiesen wurde oder die unmittelbar das/den Grundgehalt oder -lohn betreffen, oder sich unmittelbar aus der dienstzeitabhängigen Vorrückung in der selben Verwendungs- oder Berufsgruppe (etwa durch Biennalsprünge) ergibt. Eine Änderung des Grundgehalts/Grundlohns durch einen Wechsel der Verwendungs- oder Berufsgruppe des Kollektivvertrages ist jedoch bekannt zu geben.

Konkurrenzklausel: Anhebung der Entgeltgrenze und Begrenzung der Konventionalstrafe – § 2c AVRAG, §§ 36, 37 AngG
Die Vereinbarung einer nachvertraglichen Konkurrenzklausel ist nur für Arbeitnehmer zulässig, deren letztes Bruttomonatsentgelt (ohne Sonderzahlungen) über dem 20-fachen (bisher: dem 17-fachen) der täglichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage liegt. Diese beträgt für das Jahr 2016 EUR 3.240,00.

Die Höhe einer für den Fall des Verstoßes gegen die Konkurrenzklausel vereinbarten Konventionalstrafe darf künftig maximal sechs Nettomonatsentgelte betragen. Maßgeblich ist das für den letzten Arbeitsmonat gebührende Nettomonatsentgelt ohne Sonderzahlungen. Das richterliche Mäßigungsrecht für Konventionalstrafen gilt weiterhin.

Einschränkung des Ausbildungskostenrückersatzes – § 2d AVRAG
Die maximal zulässige Frist für die Rückforderung von Ausbildungskosten für auch bei anderen Arbeitgebern verwertbare Ausbildungen wird von fünf auf vier Jahre verkürzt. Die in Ausnahmefällen (beispielsweise für Pilotenausbildung) bestehende Möglichkeit der Vereinbarung einer bis zu achtjährigen Bindungsdauer bleibt unverändert.

Nach der Neuregelung muss sich der vereinbarte Rückerstattungsbetrag ab erfolgreicher Absolvierung der Ausbildung bis zum Ende der Bindungsdauer monatlich anteilig verringern. Im Falle der Vereinbarung einer davon abweichenden Aliquotierung des Rückerstattungsbetrags (etwa bei jährlicher Aliquotierung) ist die gesamte Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung unwirksam. Günstigere Vereinbarungen, wie eine wöchentliche Aliquotierung, sind nach den Gesetzesmaterialien jedoch zulässig.

Anspruch auf Abrechnung der Bezüge/Anmeldung – § 2f AVRAG
Arbeitnehmer haben nunmehr bei Fälligkeit des Entgelts einen Anspruch auf Übermittlung einer schriftlichen, übersichtlichen, nachvollziehbaren und vollständigen Abrechnung der zustehenden Bezüge (Entgelt und Aufwandsentschädigungen). Diese Neuregelung soll dem Arbeitnehmer die Kontrolle der ihm zustehenden Ansprüche erleichtern.

Zudem besteht ein Anspruch auf unverzügliche Aushändigung einer Kopie der Anmeldung zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber.

Transparenz bei All-in-Verträgen – § 2g AVRAG
Bei ab 01.01.2016 abgeschlossenen All-in-Vereinbarungen muss das/der dem Arbeitnehmer zustehende Grundgehalt/Grundlohn (entweder Mindestgehalt bzw. -lohn laut Kollektivvertrag oder das/der vereinbarte höhere Grundgehalt/Grundlohn) jedenfalls betragsmäßig ausgewiesen werden. Die bloße Vereinbarung eines überkollektivvertraglichen Entgeltes für die gesamte Arbeitszeit reicht künftig nicht mehr aus.

Fehlt diese betragsmäßige Angabe, hat der Arbeitnehmer zwingend Anspruch auf das/den Grundgehalt/Grundlohn einschließlich der branchen- und ortsüblichen Überzahlungen, der am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt (Ist-Grundgehalt/Ist-Grundlohn). Das/der Ist-Grundgehalt/Ist-Grundlohn ist der Berechnung der abzugeltenden zeitbezogenen Entgeltbestandteile zugrunde zu legen.

Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit durch aktive Reisezeiten – § 20b AZG
Ab 01.01.2016 ist eine Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden möglich, wenn der Arbeitnehmer bei Dienstreisen während der Reisebewegung durch das angeordnete Lenken eines Fahrzeugs eine Arbeitsleistung erbringt. Zulässig ist nur die Ausdehnung „durch die Reisebewegung“. Die Arbeitszeit im engeren Sinne darf die sonst geltenden Grenzen (in der Regel zehn Stunden) nicht überschreiten.

Die Ausdehnungsmöglichkeit besteht überdies nur für Arbeitnehmer, bei denen das Lenken nicht eine Haupttätigkeit darstellt.

Informationsrecht für Teilzeitbeschäftigte – §§ 19d, 28 AZG
Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer sind vom Arbeitgeber bei der Ausschreibung von im Betrieb frei werdenden Arbeitsplätzen, die zu einem höheren Arbeitszeitausmaß führen können, zu informieren. Diese Information kann auch durch allgemeine Bekanntgabe an einer geeigneten, für die Teilzeitbeschäftigten leicht zugänglichen Stelle im Betrieb, durch geeignete elektronische Datenverarbeitung bzw. durch geeignete Telekommunikationsmittel erfolgen. Ein Verstoß gegen diese Informationspflicht ist mit einer Verwaltungsstrafe von EUR 20,00 bis EUR 426,00 sanktioniert.

Zusammenfassung/Handlungsbedarf für die Praxis

  • Dienstzettel/Dienstverträge: Dienstzettel/Dienstverträge sind im Hinblick auf die neue Verpflichtung zur Angabe eines konkreten Betrages des Grundgehalts/Grundlohns zu überarbeiten.
  • Konkurrenzklausel: Neu sind die Erhöhung der Entgeltgrenze (2016: EUR 3.240,00 brutto) für die wirksame Vereinbarung einer Konkurrenzklausel und die Deckelung einer vereinbarten Konventionalstrafe mit sechs Nettomonatsentgelten. Die betreffenden Klauseln in Standardverträgen sind zu prüfen und erforderlichenfalls zu überarbeiten.
  • Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung: Reduktion der Bindungsdauer auf vier Jahre und monatliche Aliquotierung des vereinbarten Rückerstattungsbetrages bei sonstiger Unwirksamkeit der Vereinbarung. Vor Beginn jeder Ausbildung ist – unter Berücksichtigung dieser Neuregelungen – eine schriftliche Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung abzuschließen.
  • Abrechnung/Anmeldung: Verpflichtung zur Übermittlung einer schriftlichen, übersichtlichen, nachvollziehbaren und vollständigen Abrechnung und Aushändigung einer Kopie der Anmeldung zur Sozialversicherung. Die Lohnabrechnung ist dahingehend zu überprüfen/anzupassen, ob/dass die zwingenden Angaben transparent enthalten sind und dem Arbeitnehmer schriftlich zur Verfügung gestellt werden.
  • All-in-Klauseln: Aufgrund der Verpflichtung zur betragsmäßigen Angabe des zustehenden Grundgehaltes/Grundlohnes sind All-in-Klauseln in Standardverträgen zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Angesichts der drohenden Konsequenzen bei Verstößen ist bei der Gestaltung von All-in-Vereinbarungen Vorsicht geboten. Im Rahmen der Vertragsgestaltung ist künftig zu überlegen allenfalls Überstundenpauschalen mit Widerrufsvorbehalt den Vorzug zu geben.
  • Aktive Reisezeit – Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit: Möglichkeit zur Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit bei Reisebewegung auf bis zu zwölf Stunden, wenn während der Reisebewegung durch das angeordnete Lenken eines Fahrzeugs eine Arbeitsleistung erbracht wird (aktive Reisezeit).
  • Informationsrecht für Teilzeitbeschäftigte: Anpassung der internen Prozesse für Stellenausschreibungen im Hinblick auf die Informationspflicht von Teilzeitbeschäftigten.

Autorin: Bettina Poglies-Schneiderbauer