Anteilsvereinigung und Grunderwerbsteuer

Die Missbrauchsbestimmung des § 22 BAO kann in Einzelfällen bei speziellen Sachverhaltskonstruktionen zur Anwendung kommen. Dies ist künftig auch beim Erwerb von Geschäftsanteilen an Immobiliengesellschaften zu beachten.

Der UFS Innsbruck hat in UFS 25.6.2010, RV/0226-I/09 entschieden, dass bei (treuhändiger) Zurückbehaltung eines Zwerganteils an einer Gesellschaft, die Eigentümerin von Liegenschaften ist, der grunderwerbssteuerlich relevante Tatbestand der Anteilsvereinigung verwirklicht sein kann. Begründet wird die Erfüllung des Grunderwerbsteuertatbestandes damit, dass die zivilrechtliche Übertragung von 99% der Geschäftsanteile, sowie wirtschaftliche Übertragung von 1 % der Geschäftsanteile in der Absicht geschlossen wurde, um der Vorschreibung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Z. 1 GrEStG 1987 zu entgehen. Die gewählte Vorgehensweise wäre somit missbräuchlich iSd § 22 BAO. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof (schneller als von manchem erwartet) als unbegründet abgewiesen.

Grundsätzlich hat der VwGH zwar seine bisherige Judikatur bestätigt, wonach „der wirtschaftlichen Verfügungsmacht im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Z 1 GrEStG kein rechtliches Gewicht beigemessen wird. Der VwGH hat aber auch die Meinung des UFS Innsbruck insofern bestätigt, als die Übertragung von 99 Prozent des zivilrechtlichen Eigentums und von ein Prozent des wirtschaftlichen Eigentums der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft ein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts sein kann.

Mit Erlass vom 29.06.2011 stellt das Bundesministerium für Finanzen für die Verwaltungspraxis nun klar dass, der VwGH im Erkenntnis vom 05.04.2011, 2010/16/0168, von seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach die „wirtschaftliche“ Anteilsvereinigung den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 nicht verwirklicht, nicht abgegangen ist. Auf Grund dessen ist weiter davon auszugehen, dass Treuhandgestaltungen iZm § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 grundsätzlich keine Steuerpflicht nach dieser Bestimmung begründen. Die bloße Treuhandschaft, die auch zivilrechtlich zulässig ist, kann keinen Missbrauch iSd § 22 BAO darstellen.

Fazit: Die Missbrauchsbestimmung des § 22 BAO kann in Einzelfällen bei speziellen Sachverhaltskonstruktionen zur Anwendung kommen. Dies ist künftig auch beim Erwerb von Geschäftsanteilen an Immobiliengesellschaften zu beachten.

Autor: Mag. Christoph Luegmair, Linz