Allianz: Verschärfung des chinesischen Unternehmensstrafrechts – Welche Risiken entstehen für ausländische Unternehmen und ihre Geschäftsführer in China?

Am 29. Dezember 2023 hat der Nationale Volkskongress (die Legislative der Volksrepublik China) eine umfangreiche Änderung des Strafrechts vorgenommen.

Diese Gesetzesänderung, die mittlerweile in Kraft getreten ist, steht in einer Linie mit dem Versprechen der Zentralregierung, den Fokus auf gesetzeskonformes Verhalten von privatrechtlichen Unternehmen in China zu schärfen und Korruption mit aller Härte zu bekämpfen.

In diesem Zusammenhang ist im Jahr 2024 bereits vielerorts festzustellen, dass die örtlichen Behörden ihre Untersuchungstätigkeiten mit Blick auf Gesetzesverstöße von Unternehmen massiv ausweiten. Im Fokus stehen dabei insbesondere die produzierenden Betriebe.

Damit verschärft sich auch das straf-/sanktionsrechtliche Haftungsrisiko für ausländisch-investierte Unternehmen sowie deren Geschäftsführer in China.

Welche strafrechtlichen Haftungsrisiken ergeben sich für Geschäftsführer in China im Zusammenhang mit Korruptionsfällen?

Bislang sah das chinesische Strafrecht (in den Artikeln 165, 166 und 169) lediglich für Direktoren, Manager und gesetzliche Vertreter von staatseigenen bzw. staatlich-investierten Unternehmen Straftatbestände für Korruptionsfälle vor.

Der persönliche Anwendungsbereich dieser Straftatbestände wurde nunmehr auch auf privatrechtlichen Gesellschaften und ihre Direktoren, Manager, gesetzliche Vertreter sowie leitenden Angestellten ausgeweitet. Umfasst sind dabei vor allem die nachfolgend genannten Handlungen.

Die Kernproblematik für die Geschäftsführer von ausländisch-investierten Unternehmen liegt dabei nicht unbedingt darin, dass sie diese Straftaten selbstausüben, sondern darin, dass eine Mithaftung entstehen kann, wenn sie solche Handlungen durch leitende Angestellte nicht ausreichend unterbinden und keine Präventionsmaßnahmen implementieren.

1. Erlangung illegaler Vorteile durch die Nutzung von Geschäftschancen des Unternehmens für private Zwecke oder für die Zwecke Dritter.

2. Ausnutzung einer Position im Unternehmen zur Gewährung von Vorteilen an Dritte (Verwandte, Freunde etc.) in den folgenden Fällen

a. Kauf von Waren oder Dienstleistungen von Dritten zu Preisen, die offensichtlich über dem Marktpreis liegen;
b. Verkauf von Waren oder Dienstleistungen an Dritte zu Preisen, die offensichtlich unter dem Marktpreis liegen;
c. Kauf von offensichtlich minderwertigen / mangelhaften Waren oder Dienstleistungen von Dritten zu marktüblichen Preisen (für mangelfreie Waren).

3. Verkauf von Vermögenswerten des Unternehmens (oder Verkauf des gesamten Unternehmens) zu einem Preis, der offensichtlich unter dem Marktpreis liegt.

Welche Strafen drohen den Geschäftsführern in Korruptionsfällen?

Wenn es sich bei den erlangten Vorteilen um einen „hohen Betrag“ handelt, kann sich das Strafmaß auf eine Geldstrafe oder auf eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren belaufen (verbunden mit einer Geldstrafe).

Wenn es sich bei den erlangten Vorteilen um einen „besonders hohen Betrag“ handelt, kann sich das Strafmaß auf eine Freiheitsstrafe von mindestens drei bis höchstens sieben Jahren (verbunden mit einer Geldstrafe) belaufen.

Die Begriffe „hoher Betrag“ und „besonders hoher Betrag“ werden gesetzlich nicht hinreichend bestimmt und unterliegen damit – wie in China üblich – weitestgehend der Ermessensentscheidung des zuständigen Richters.

Welche erhöhten sanktionsrechtlichen Haftungsrisiken ergeben sich für Unternehmen in China?

Im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Gesetzesänderung Ende 2023 sind von der Zentralregierung in Peking auch Direktiven an die örtlichen Ordnungsbehörden herausgegeben worden, die Rechtmäßigkeit der unternehmerischen Tätigkeiten verstärkt zu prüfen.

Im Fokus stehen dabei aktuell insbesondere produzierende Betriebe. Bei diesen Gesellschaften wird verstärkt die Aktualität und Konformität der Produktionsgenehmigungen mit Blick auf Produktionssicherheit, Umweltverträglichkeit und Arbeitsbedingungen überprüft.

In diesen Bereichen hat es in den letzten Jahren eine Vielzahl von Gesetzesänderungen und Verschärfungen der Voraussetzungen / Bedingungen gegeben. Im Rahmen unserer Beratungspraxis machen wir regelmäßig die Erfahrung, dass insbesondere produzierende Betriebe unserer Mandanten, die vor dem Jahr 2020 gegründet wurden, diese Gesetzesänderungen nicht korrekt umgesetzt haben (offenbar weil seinerzeit die örtlichen Behörden auf diese Bereiche kein großes Augenmerk gelegt haben).

Bei schwerwiegenden Verstößen drohen Unternehmen die Stilllegung der Produktion, Ordnungsgelder sowie Registrierung der Gesetzesverstöße im „Social Credit Point System“. Im Fall von besonders schwerwiegenden Verstößen droht zudem auch hier die persönliche strafrechtliche Verantwortung der Geschäftsführung.

Insofern empfehlen wir produzierenden Betriebe dringend ihre Genehmigungslage auf Aktualität und Konformität überprüfen zu lassen.



Autor: Marcel Brinkmann